Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hab ich selbst gemacht

Hab ich selbst gemacht

Titel: Hab ich selbst gemacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Klingner
Vom Netzwerk:
ist.
    Aber jetzt sitzen wir gemeinsam im oberbayerischen Frasdorf in der Mitarbeiterküche, und Johann Huber gießt ganz normale Milch in eine ganz normale Glasschüssel, stellt diese – »Ausnahmsweise!«, sagt Huber – in die Mikrowelle. 35 Grad Celsius warm muss die Milch sein. Er tunkt den Zeigefinger hinein, und ich frage erstaunt: »Sie können mit dem Finger die Temperatur messen?« Er grinst mich nur an. Klar, warum soll er das nicht können? 23 Jahre Berufserfahrung, da weiß auch der kleine Finger, wann die Milch 35 Grad hat.
    »Haben Sie so auch angefangen? Einfach mit einem Topf in der eigenen Küche?«, frage ich ihn.
    »In der Küche meiner Mutter. Mit einem 50-Liter-Topf. Meine Mutter ist fast verrückt geworden. Weil, wissen’S, da tropft auch mal was daneben. Und so eine Ziegenmilch, wenn da was liegen bleibt, das gibt einen g’scheiten Mief. Meine Mutter ist fast narrisch geworden.«
    Und auch die 200 nicht gerade geruchsarmen Käse, die Johann Huber dann erst mal im Keller der Eltern lagerte,scheinen den einen oder anderen Streit zwischen Mutter und Sohn befeuert zu haben, jedenfalls deutet er das an.
    Aus einem kleinen Fläschchen holt er eine Messerspitze voll mit einem körnigen weißen Pulver. Ein paar Krümel schüttet er auf meine Hand. »Kosten’S! Das ist Lab.«
    Wirklich? So pur? Jetzt gleich? Lab ist ein Enzym, das aus getrockneten Milchkalb- oder Milchzicklein-Mägen gewonnen wird. Aber ich bin Vegetarierin, und die Vorstellung, zermahlenen Kalbsmagen zu essen, behagt mir nicht auf Anhieb. Neugierde und Widerwille ringen einen Moment miteinander, dann lecke ich die Krümel von meiner Handfläche.
    Johann Huber schaut mich erwartungsvoll an. »Salzig und ein bisschen käsig«, sage ich. Das scheint für ihn der Startschuss zu sein, denn er schiebt den kleinen Pulverhaufen, den er aus dem Lab-Fläschchen genommen hat, mit dem Messer in die Milch. Das Lab wird jetzt die Milcheiweißketten so aufspalten, dass die Milch eindickt, aber nicht sauer wird wie beim Joghurt zum Beispiel, erklärt er mir. Am besten arbeitet das Lab bei Körpertemperatur, also 35 bis 37 Grad Celsius.
    Tja, schön und gut, werfe ich ein, aber jetzt hat ja nicht jeder zu Hause ein Fläschchen mit Lab herumstehen. Auch ich nicht. Woher kriegt man das denn? »Aus der Apotheke«, sagt er. In der Apotheke bekommt man wirklich alles, denke ich mir. Chemikalien wie Natriumhydroxid genauso wie Käsezutaten, und auch Lebensmittelfarbe habe ich schon mal in der Apotheke gekauft – nachdem mir die beste Freundin den Tipp gegeben hatte. Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, deswegen in eine Apotheke zu gehen.
    Als ich später in der Apotheke nachfrage, werden sie mir mitteilen: Hundert Milliliter Lab-Ferment kosten rund zehn Euro; und auf der Packung steht, um aus einem Liter Milch Käse zu machen, braucht man 5 Tropfen davon. Eine lohnende Anschaffung.
    Langsam wird die Milch vor mir auf dem Tisch dicker, siesieht aus wie etwas zwischen dicker Buttermilch und sehr flüssigem Kartoffelbrei. Es muss aber eher so etwas wie milchige Götterspeise daraus werden. Unser Käse braucht noch etwas Zeit.
    Also frage ich Johann Huber noch ein bisschen über seine Leidenschaft für Käse und das Leben auf dem Bauernhof aus. Beides hat nämlich miteinander zu tun. Denn dass er sich für Käse entschieden hat, war nicht vorauszusehen. Klar, Johann Huber liebt Käse, am meisten Feta, und er mag alte Handwerkstraditionen, aber er hätte auch Schäfer werden können oder Zimmermann bleiben, oder er hätte sich auf Obstbrände spezialisieren können. Denn wer auf dem Bauernhof aufwächst, der lernt alles ein bisschen. In seiner Familie wurden alle Aufgaben schon immer so aufgeteilt, dass man gemeinsam über die Runden kommt. Jeder macht das, was er oder sie am besten kann. Die Schafe fressen das Gras von der Wiese, auf der Obstbäume stehen. Aus denen Huber Schnaps und Essig macht, die in dicken Plastikfässern im Keller stehen. Die Schafe geben die Milch für den Anderlbauer-Käse und die Wolle, aus denen Hubers Mutter Filz macht, allein oder zusammen mit Menschen, die das Filzen lernen wollen.
    Überhaupt gibt Familie Huber das Wissen, das sie von Generation zu Generation weitervererbt haben, auch gern an Schulklassen, Stadtmenschen und alle anderen, die es wissen wollen, weiter: Sie bieten Handwerkskurse an. Filzkurse. Käserkurse. Brotbackkurse. Hubers Mutter ist außerdem Kräuterpädagogin und liefert dem Sohn nicht nur eine bunte

Weitere Kostenlose Bücher