Hab und Gier (German Edition)
Glas, umgeben von funkelnden Strasssteinchen.
»Ein Rubin und viele kleine Diamanten«, trumpfte sie auf.
Bei so viel Naivität drehte sich mir fast der Magen um.
»Aber das ist noch nicht alles«, behauptete Judith stolz. »Der Wolf hat mir einen Heiratsantrag gemacht!«
Fassungslos starrte ich sie an und zischte schließlich: »Hast du dumme Nuss etwa eingewilligt?«
»Bis jetzt nicht. Eigentlich wollte ich schon mit acht keinen anderen als Batman heiraten, aber vielleicht ist Wolfram gar nicht so weit davon entfernt. Eine Lady ziert sich und bittet um Bedenkzeit.«
Nach ein paar Schrecksekunden machte ich eine so empörte Bewegung, dass mein Teeglas umfiel und ich mich um ein Haar verbrüht hätte. Ich brachte kein Wort heraus. Wofür hielten die zwei mich eigentlich! Mit einer Heirat würden sich alle meine Pläne in Luft auflösen. Ich würde leer ausgehen, wenn die mit allen Wassern gewaschene Judith als Ehefrau das gesamte Vermögen erbte. Dabei war ich es, die die ganze Sache eingefädelt hatte, an mich und niemand anderen hatte sich Wolfram gewandt, als er Hilfe suchte.
Judith erschrak ganz offensichtlich über meine verfinsterte Miene.
Gleich würde sie mir wieder Humorlosigkeit vorwerfen. Also kam ich ihr zuvor und fragte: »Und – wie viele Kinder habt ihr geplant?«
»Es soll unbedingt eine komplette Fußballmannschaft werden«, sagte sie. »Aber ich sehe schon, mit dir ist im Moment nicht gut Kirschen essen. Mach’s gut, und denk bloß nicht, ich wollte dich übers Ohr hauen – ganz im Gegenteil. Ich schenke dir sogar meinen Verlobungsring, denn wir wollten doch die gesamte Beute teilen!« Sie zog ihn ab, legte ihn neben die Zuckerdose und verschwand.
Ich blieb allein und grübelte. Wenn sie auf eine Witwenrente zählte, dann irrte sie sich gewaltig. Wer nicht mindestens ein Jahr vor dem Ableben geheiratet hatte, konnte keine Versorgung beanspruchen.
Erst später öffnete ich den Briefumschlag, der mit Geldscheinen prall gefüllt war: Ich zählte tausendfünfhundert Euro. Im Anschluss las ich die Einkaufsliste, ein handgeschriebenes Kärtchen sowie eine Bankvollmacht. In seiner akkuraten, kleinformatigen Schrift schrieb Wolfram, es sei bestimmt lästig für mich, nach jedem Einkauf abzurechnen. Ich solle das Geld für die Haushaltskasse behalten, nach Belieben ausgeben und bei Bedarf neues abheben, er brauche keine Belege und vertraue mir. Dein dankbarer Wolfram, las ich kopfschüttelnd und knöpfte mir die Liste vor.
Als Erstes sollte ich zu seinem Arzt fahren, wo zwei Rezepte für ihn bereitlägen, dann zur Apotheke und schließlich zum Supermarkt. Leichtverdauliche Gemüsesuppen wären ihm am liebsten, ferner Pudding, Obst, Fisch und möglichst wenig Fleisch.
Der Herr beliebte Ansprüche zu stellen! Eigentlich könnte auch seine Verlobte für ihn kochen, knurrte ich grimmig, doch immerhin würde Judith demnächst wieder viele Stunden am Tag in der Bibliothek verbringen. Wolfram spielt uns gegeneinander aus, dachte ich. Er ist im Grunde gar nicht so kränklich, wie er tut, und lässt mit Genuss die Puppen tanzen. Die Mitleidstour zieht bei Frauen immer am besten. Vielleicht will er auch nur testen, welche Demütigungen wir für Geld und Geschenke bereitwillig hinnehmen. Irgendwann wird er uns wie Sklavinnen behandeln und aus purer Bosheit noch jahrelang leben.
Am nächsten Tag stand ich an der Empfangstheke der Arztpraxis. »Muss nur noch unterschrieben werden«, sagte die Helferin und verschwand mit den Rezepten. Kurz darauf rief sie mich ins Sprechzimmer.
»Der Herr Doktor möchte Sie noch etwas fragen«, sagte sie. »Er kommt sofort.«
Wolframs Hausarzt eilte bald darauf herein, unterschrieb im Stehen und fragte zwischen Tür und Angel, ob Wolfram im Hospiz gut untergebracht sei.
»Nein, nein, er will unter allen Umständen zu Hause sterben. Ich und eine andere ehemalige Mitarbeiterin, wir kümmern uns um ihn. Wie viel Zeit wird ihm wohl noch bleiben?«
»Erstens darf ich nur Angehörigen Auskunft erteilen. Und zweitens ärgere ich mich immer wieder«, sagte der Doktor, »wenn ein Kollege im Roman oder Film knallhart behauptet, der Patient hätte nur noch vierzehn Tage zu leben. Kein Arzt kann das so exakt beurteilen, da gibt es immer wieder Überraschungen! Und bei Herrn Kempner ist eine Prognose besonders schwierig, denn er ist sehr widerstandsfähig. Andererseits hat ihn der Tod seiner Frau sehr mitgenommen. Er braucht jemanden, der ihm auch mal zuhört. Wenn er mehr
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