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Hab und Gier (German Edition)

Hab und Gier (German Edition)

Titel: Hab und Gier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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schließlich mit einem gutgefüllten Einkaufskorb nach Hause kam. Ich trat ihr sofort in den Weg, um sie wegen angeblich verdächtiger Geräusche in der obersten Wohnung zur Rede zu stellen.
    »Ich hatte einen anstrengenden Tag«, sagte sie unwirsch. »Lass mich erst mal einen Moment in Ruhe und die Hände waschen…«, und damit lief sie eilig die Treppe hinauf und kam den ganzen Abend nicht mehr herunter.
    Nach dem Essen verbrachten Wolfram und ich noch einige Zeit vor dem Fernseher, fast wie ein altes Ehepaar. Es herrschte eine wohltuende, vertraute Atmosphäre, die mir von Tag zu Tag besser gefiel. Ich konnte nicht ahnen, dass es der letzte Abend war, der hier so friedlich ablief.
    In letzter Zeit war mir aufgefallen, dass mein Gehör nachließ, weil ich den Fernseher lauter stellen musste. Doch daran hat es wohl nicht gelegen, dass ich in jener verhängnisvollen Stunde nicht wach wurde. Nach einer schlechten Nacht schlafe ich am nächsten Abend oft wie eine Tote. Nichts, aber auch gar nichts vermag mich zu wecken. So war es auch diesmal, obwohl es sicherlich nicht völlig geräuschlos zugegangen sein kann. Ich wurde erst gegen acht Uhr munter, wunderte mich sekundenlang über die Morgensonne und begriff endlich, dass ich nicht mehr in meiner gewohnten kleinen Wohnung war. Etwas träge stand ich auf, ließ mir Zeit im Bad und ging schließlich in die Küche, um das Frühstück zuzubereiten. Gegen halb zehn huschte Judith aus dem Haus und startete eilig ihren Wagen, höchste Zeit, um pünktlich in der Bibliothek einzutreffen. Anscheinend waren wir heute alle spät dran, denn auch von Wolfram war nichts zu hören. Also frühstückte ich allein, denn ohne die Tasse Kaffee am Morgen bin ich zu nichts zu gebrauchen.
    Gegen Mittag begann ich mir Gedanken zu machen und klopfte vorsichtig an Wolframs Schlafzimmertür. Als sich nichts rührte, öffnete ich sie einen Spalt und rief mit halblauter Stimme seinen Namen. Da er nicht reagierte, trat ich in den abgedunkelten Raum, zog die Gardinen auf und blieb wie angenagelt vor dem Bett des reglosen Freundes stehen, dessen weitgeöffnete Augen ins Leere starrten. Panik erfasste mich. War er etwa tot?
    Seine verkrampfte Hand fühlte sich kalt an. Unwillkürlich musste ich an Puccinis La Bohème mit der Arie »Wie eiskalt ist dein Händchen« denken. Doch hier ging es um keine Oper, sondern um nackte Tatsachen. Ich schlug die Decke zurück, um Atem und Herzschlag zu prüfen, und entdeckte mit Entsetzen eine horizontal am Hals verlaufende, bläulich rote Markierung. Sie hatte es also getan, diese geldgierige Schlampe, sie hatte ihn kaltblütig erwürgt! Nach einigen Minuten völliger Fassungslosigkeit erinnerte ich mich, dass man einem Toten als Erstes die Augen schließen soll, was mir allerdings nicht gelang.
    Dann lief ich zum Telefon, rief in der Bibliothek an und verlangte Judith. »Du bist eine Teufelin, eine eiskalte Mörderin!«, zischte ich mit letzter Kraft und begann am ganzen Körper zu zittern.
    »Was ist los?«, fragte Judith, fast etwas gelangweilt. »Ich erwarte gerade Kundschaft.«
    »Du musst sofort herkommen! Ich kann es dir am Telefon nicht erklären. Sag der Chefin, dass du wieder einen Hexenschuss hast oder so was!«
    »Und warum sollte ich?«
    »Wolfram hat deine Attacke nicht überlebt! So hatten wir das nicht abgesprochen!« Ich keuchte vor Zorn und Aufregung.
    »Bitte nicht durchdrehen«, sagte Judith. »Deinen Wolfram habe ich seit vorgestern nicht gesehen, wenn er jetzt tatsächlich tot sein sollte, hat das nichts mit mir zu tun. Aber ich werde versuchen, möglichst bald nach Hause zu kommen. – Hallo, Frau Lindemann, hat Ihnen dieser Roman genauso gut gefallen wie der letzte?«, und schon legte sie auf, und ich blieb allein mit dem Toten. Mir wurde übel, und ich rannte ins Bad. Die Vorstellung, dass die falsche Judith heute Nacht hinter meinem Rücken und ohne meine Zustimmung den wehrlosen Wolfram umgebracht hatte, war ungeheuerlich. Ich versuchte vergeblich, mich damit zu trösten, dass er es ja genau so gewollt hatte. In den letzten Tagen war ich mir nicht mehr sicher gewesen, ob dieser Wunsch noch aktuell war.
    Eine halbe Stunde später fummelte die sonst so coole Judith nervös mit dem Schlüssel an der Haustür herum und lief sofort in Wolframs Schlafzimmer. Ich riss die Bettdecke hoch und zeigte stumm auf die deutlich sichtbaren Würgemale.
    »Hast du bereits den Arzt gerufen, hast du schon – außer mit mir – mit einem anderen Menschen

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