Hab und Gier (German Edition)
Lieber fuhr ich in den Supermarkt, um die Bestie zu besänftigen. Was sollte man einem körperlich hart arbeitenden Mann vorsetzen? Am besten wieder viel Fleisch.
Das Abendessen verlief wortkarg, Cord war hungrig und erschöpft, Judith müde. Man sah ihr an, dass sie zu wenig geschlafen und zu viel getrunken hatte. Wir gingen alle drei früh zu Bett. Der Schock traf mich erst am nächsten Tag.
Eigentlich lese ich nie die ganze Zeitung. Natürlich die erste und letzte Seite, die wichtigsten innen- und außenpolitischen Nachrichten, Wetter und Feuilleton. Anzeigen, Sport und Wirtschaft spare ich aus. Ebenso den Lokalteil, denn ich muss nicht unbedingt wissen, wer wo Goldene Hochzeit feiert, welcher Gesangverein einen Preis erhält oder wo eine Tagung nordbadischer Taubenzüchter stattfindet. Einzig Wald-Michelbach, dessen Name mich förmlich anspringt, übt seit kurzem eine magische Anziehung auf mich aus. Anfangs überflog ich die wenigen Zeilen nur mit halber Aufmerksamkeit, dann überfiel mich eine böse Ahnung.
Wald-Michelbach
In der Nacht zum Donnerstag ereignete sich nach Angaben der Polizei ein schwerer Unfall nahe der Kreidacher Höhe. In einer abschüssigen scharfen Rechtskurve, die zu einem Bauernhof abzweigt, gerieten zwei Motorradfahrer durch eine Öllache ins Schleudern und kollidierten beim Sturz mit großer Wucht. Den Polizeibeamten bot sich ein Bild des Grauens. Beide Personen wurden schwer verletzt, ihre Motorräder erlitten Totalschaden. Ein Rettungshubschrauber brachte die Verletzten nach Ludwigshafen, das Öl wurde durch die Feuerwehr entsorgt.
Es stellt sich die Frage, ob der sadistische Unbekannte, der in Bayern und Baden-Württemberg schmieriges Altöl in grüne Weinflaschen füllt und sie in kurvigen Strecken, die bei Bikern beliebt sind, auf die Fahrbahn wirft, auch hier wieder zugeschlagen hat. Dagegen spricht, dass man in diesem Fall keine Glassplitter fand. Die örtliche Polizeidienststelle in Wald-Michelbach bittet die Bevölkerung um sachdienliche Hinweise; eventuell haben Zeugen einen Wagen beobachtet, der zu nächtlicher Stunde im Umkreis der Kreidacher Höhe anhielt, dessen Fahrer ausstieg oder sich sonst wie auffällig verhielt.
Hoffentlich hatte Cords »Denkzettel« nichts mit diesem schrecklichen Unfall zu tun! Auch heute tobte er sich wieder seit dem frühen Morgen im Garten aus, stutzte Gebüsch und jätete Unkraut. Ich lief auf die Terrasse und winkte ihn herein: »Kaffee?«
»Ja, schwarz!«
Ich schob ihm eine Tasse über den Tisch und legte ihm kommentarlos die Zeitung daneben.
Er sah mich fragend an, las und schüttelte sofort den Kopf. »Das kann aber nicht die Qualle sein, die war doch mit dem gelben Porsche unterwegs!«
»War sie eben nicht. Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen, sie und ihren Lover mitsamt den Motorradhelmen!«
Cord wurde kleinlaut. »Das konnte ich nicht wissen, davon hat mir Judith kein Wort gesagt. Ich wollte eigentlich nur, dass der Porsche einen Kratzer kriegt, denn der gelbe Wagen stand nicht im Stall…«
»…und die Feuerstühle bestimmt auch nicht! Trotzdem ist es nicht gesagt, dass sie es sind, die nun schwerverletzt im Krankenhaus liegen, Namen wurden nicht genannt. Wenn du das aber warst mit dem Öl und man dich erwischt, wirst du so oder so wegen Mordversuchs angeklagt.«
Vor Schreck wurde er ganz blass. »Es war doch bloß das Motorenöl aus der Garage. Ich wollte der Qualle nur eine kleine Lektion erteilen! Sie eine Weile außer Gefecht setzen, damit wir in Ruhe die Formalitäten abwickeln können.« Er schluckte ein paarmal, dann behauptete er dreist, aber mit treuherzigem Augenaufschlag: »Außerdem habe ich es einzig und allein für euch getan!«
»Der arme Wolfram musste also aus reiner Gefälligkeit daran glauben, und nun auch die Qualle! Bist du noch ganz richtig im Kopf?«
»Ihr beide habt euch schon bei dem Alten nicht getraut, dafür braucht es einen Dummen wie mich, der euch die Kastanien aus dem Feuer holt. Die Judith hatte doch die ganze Zeit Panik, dass wir von der Qualle ausgebootet würden. Wenn nicht alles nur blinder Alarm war, dann ist nun hoffentlich Ruhe im Karton.«
Ich seufzte tief auf. Die Ungewissheit war unerträglich.
»Hör jetzt auf mit der Gartenarbeit«, befahl ich. »Fahr hin, und vergewissere dich, ob jemand zu Hause ist und ob die Motorräder heil in der Scheune stehen. Ich habe noch ein altes Theaterglas, das kannst du meinetwegen mitnehmen.«
»Jetzt wird mir Judith wieder die Hölle
Weitere Kostenlose Bücher