Hab und Gier (German Edition)
ausgemalt! Gemächliche Spaziergänge und lesen nach Herzenslust. Doch bislang war ich kaum je dazu gekommen. Mein Wunsch, ein beschauliches, wenn auch nicht völlig vereinsamtes Leben zu führen, sollte wohl so schnell nicht in Erfüllung gehen.
Judith schien sich auch zu ärgern, als wir uns am Abend mit einem Glas Wein auf die Terrasse setzten. Ich hatte ihr von den fremden Kindern im Garten erzählt und dass Cord wohl noch in der Badeanstalt sei.
»Das Waldschwimmbad schließt um acht Uhr«, meinte Judith. »Wahrscheinlich traut er sich nicht nach Hause, hat den Bus genommen und ist mit seiner Brut bei Natalie geblieben. Das ist eine absolut blöde Kuh, du solltest sie mal sehen! Dürr wie ein Stecken, ewig jammernd, immer überfordert! Zum Kindermachen braucht es bekanntlich zwei, aber sie war wohl völlig unschuldig an der Entstehung dieser kleinen Ratten. Bei allem muss sie übertreiben, ein Kind hätte ja genügt, aber nein – es muss gleich ein Doppelpack sein.«
Ein wenig musste ich darüber schmunzeln, wie sehr sich Judith ereiferte. Cord hatte bei ihr als Lover offenbar noch nicht wirklich ausgedient.
»Sollten wir ihn nicht einfach rausschmeißen?«, fragte ich boshaft. »Er könnte doch mit dem Hund zu seinen Sprösslingen ziehen, dann haben die wieder eine heile Familie und wir unsere Ruhe.«
»In Natalies Bruchbude?«, fragte Judith. »Da ist er bestimmt nicht scharf drauf. Sein eigenes Zimmer hat man ihm nämlich gekündigt, weil er ständig mit der Miete im Verzug war. Auf deinen Rauswurf wird er wohl kaum reagieren. Er macht immer nur, was er will, auch wenn er dabei auf die Schnauze fällt. Außerdem kann er uns erpressen, er weiß genau, was es mit dem Testament auf sich hat.«
»Schon, aber er hat doch selbst Dreck am Stecken! Mord ist viel schlimmer als Fälscherei.«
Wir starrten beide eine Weile ins Leere und grübelten. Dann wechselte ich das unangenehme Thema.
»Wo wohnt sie eigentlich, diese Natalie?«, fragte ich.
»In einem hessischen Kaff in einem dunklen Loch mit zwei Kämmerchen. Sie verdient nicht viel, und Cord zahlt fast nie für seine Kinder, weil er kaum je einer geregelten Arbeit nachgeht. Ich bin ziemlich baff, dass er sich hier im Garten von seiner Schokoladenseite zeigt und schuftet wie ein Ochse.«
Bellablock, die bis dahin mucksmäuschenstill unter dem Tisch geschlafen hatte, sprang auf und legte ihren Kopf teilnahmsvoll auf meine Knie.
»Diese Bella ist schon ein rührendes Tier«, sagte ich. »Vielleicht kann ich etwas gutmachen, wenn ich den Hund anständig behandle.«
»Bildest du dir etwa ein, Miss Sabrina blickt von oben herab und spendet dir Beifall?«, fragte Judith. »Ich dachte, du glaubst nicht an ein Leben nach dem Tod. Aber stell dir mal vor, der Wolf sitzt mit seiner Alten und der Qualle auf Wolke sieben, und plötzlich beginnen sie sich zu fetzen…«
Wir lachten beide bei dieser Vorstellung, aber als in einem der Nachbargärten ein sanfter Abendwind in diesem Moment ein chinesisches Glöckchen zum Bimmeln brachte, war mir doch ein wenig unheimlich zumute.
Judith beendete schließlich das Schweigen.
»Wie schnell kann etwas passieren, und man ist auf einmal nicht mehr da. Ich denke oft an den Tod, denn auch in jungen Jahren kann man durch einen Unfall oder an einer schweren Krankheit sterben. Mein Cousin war erst acht, als er im Eis einbrach und ertrank. In deinem Alter ist es natürlich noch aktueller, ich nehme an, von deinen Freunden und Bekannten sind längst nicht mehr alle am Leben…«
»Aus meiner Klasse sind es erst zwei«, bemerkte ich kühl. »Aber klar, der Abschied rückt näher, man denkt wehmütig an die Vergangenheit und voller Sorgen an die Zukunft. Ich weiß genau, dass es mich jederzeit erwischen kann.«
»Sieh mal, Karla, ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber gerade deswegen ist es an der Zeit, dass du an dein eigenes Testament denkst. Wir wollen ja hoffen, dass du noch lange am Leben bleibst, aber sollte dir tatsächlich etwas zustoßen, dann erbt dein Bruder alles und ich gar nichts.«
Ich antwortete nichts und hing düsteren Gedanken nach. Judiths Argumente waren zwar nachvollziehbar, doch ich wollte ungern mein eigenes Todesurteil unterschreiben. Wie würde Cord handeln, wenn er von einem solchen Testament erführe? Feuer legen, Öl auf die Kellertreppe gießen oder mir an die Gurgel gehen? Hatte er genug Phantasie, um sich eine todsichere Methode auszudenken? Abgesehen davon war mir nicht klar, ob ich Judith
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