Haben Sie das von Georgia gehoert
nach einem überdurchschnittlich schlimmen Kater, wenn seine Verfehlungen überhandnahmen. Brother hatte immer mal wieder gute Absichten, die sich aber nie länger als zwei Tage hielten.
Die Anonymen Alkoholiker hatten ihm gesagt, er könne sich die Mühe sparen, zu den Meetings zu kommen, wenn er danach nur wieder losziehe und sich besaufe.
Sein Bewährungshelfer hatte ihn wieder für einen Monat ins Gefängnis stecken lassen, um ihm richtig Angst einzujagen, aber es hatte ihn nur wütend und noch ein bisschen verrückter gemacht. Als sie ihn entließen, hatte seine erste Tat darin bestanden, sich die Haare abzurasieren – mit einem Hundetrimmer, den er sich von seiner Freundin Trish geborgt hatte (die ihren Namen statt mit i besser mit a geschrieben hätte, fand Georgia). Kahlköpfig verkündete Brother, er sei Punkrocker; dann war er Krebspatient, dann Lex Luthor in Superman. Ein Neonazi. Ein Jude im KZ. Er »tätowierte« sich mit einem Filzstift eine Nummer auf den Arm und malte sich Zickzackhaare auf den kahlen Schädel.
Als seine echten Haare nachwuchsen, färbte er Streifen hinein und erklärte, er sei Künstler.
Eine Zeit lang verbrachte er seine Nachmittage auf der Waschmaschinenveranda und malte verrückte Ölbilder, an deren Rändern die überschüssige Farbe heruntertropfte. Tatsächlich ermutigte Georgia ihn in dieser Phase sogar. Ölfarben waren schmierig und teuer, aber nicht so leicht entflammbar wie Whiskey. Ein paar Wochen lang sah es so aus, als bewahrte die Malerei ihren Bruder vor Schwierigkeiten.
Gerade als alles besser zu werden schien, erfasste ihn eine obsessive Begeisterung für Roy Moore, einen Richter in Montgomery, der einen lautstarken Krieg für sein gottgegebenes Verfassungsrecht führte, die Zehn Gebote im Hauptgebäude des Obersten Gerichtshofs von Alabama auszustellen. Moore hatte die Gouverneursvilla im Visier; er dachte sich, er könne der nächste George Wallace werden und auf den Zehn Geboten in das Regierungsamt reiten, wie George Wallace auf der Rassentrennung hineingeritten war.
Wie alle echten Fanatiker hatte Roy Moore den Mut der Überzeugung. Er sammelte Geld für einen Marmorblock von der Größe einer Hammondorgel, ließ die Zehn Gebote darin einmeißeln und den Block im Schutz der Dunkelheit im Foyer des Obersten Gerichtshofs aufstellen – und es sollte nur ja einer wagen, ihn wieder zu entfernen! Danach ging er auf eine Redereise zu den gottesfürchtigen Bürgern des ländlichen Alabama und versuchte, unter ihnen den alten Wallace-Zauber noch einmal aufleben zu lassen.
Brother klebte Zeitungsausschnitte über diese Kampagne an die Wände seines Zimmers. Er blieb nächtelang auf und sprach lange Anti-Moore-Manifeste auf seinen Kassettenrekorder. Am nächsten Tag hörte er sich das Band dann
über Kopfhörer an und machte sich wie verrückt Notizen, als lernte er wichtige Dinge von sich selbst.
Es wurde schlimmer, nachdem Sims Bailey ihn nach Evergreen gefahren hatte, wo Roy Moore aufgetreten war. Als Brother zurückkam, war er davon überzeugt, dass Moore buchstäblich der Antichrist sei. »Er tut das Werk des Satans, indem er behauptet, Gottes Wille im Gericht zu vertreten«, erklärte Brother. »Er hat einen Götzen geschaffen und in der Öffentlichkeit zur Anbetung ausgestellt. Verstehst du – das kommt geradewegs aus dem Alten Testament! Weißt du, was ein Götze ist? Ein falscher Gott! Er bringt die Leute im ganzen Land dazu, dass sie ein Stück Marmor anbeten. Jemand muss ihn stoppen.«
»Aber du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du dieser Jemand bist«, sagte Georgia. Aber natürlich, das glaubte er. Brother, der nie ein Fünkchen Religiosität im Leib verspürt hatte.
Georgia wusste nicht, was sie tun sollte. Wenn sie das alles ignorierte, würde es nur noch schlimmer werden – und am Ende würde sie doch die Scherben zusammenkehren müssen.
Also setzte sie sich mit Brother zusammen und redete mit ihm. Beide weinten. Little Mama kam dazu und weinte auch. Brother verkündete, er werde ausziehen und sich eine eigene Wohnung und einen Job suchen, er werde einen neuen Anfang machen und sich diesmal wirklich Mühe geben. So redete er zwei Tage lang, und dann ließ er das Thema fallen.
Die nächsten Wochen verbrachte Georgia damit, unter den führenden Persönlichkeiten von Six Points einen Sinneswandel herbeizuführen. Sie spendierte Sheriff Allred einen ganz
besonderen Freitagabend als Dankeschön dafür, dass er Jimmy Lee Newton erzählt
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