Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt
mein Vater in dieser Nacht zum Feuerwehreinsatz sollte, obgleich er schon drei Nächte hintereinander in Hamburg zum Löschen gewesen war. Ich sah das nicht ein, worauf er drohte, auch ein Feldwebel könnte ins KZ kommen, und er würde meiner Truppe Nachricht geben.
Daraufhin erklärte ich ihm: » Unsere Truppe hält sowieso nichts mehr vom Krieg.« Das war 1943. Als ich dann später wieder bei meiner Truppe eintraf, lag tatsächlich ein Bericht vor. Jedoch mein Kompanieführer hat ihn weggeschmissen.
Beamter, 1929
Man hat mal gesehen, als die Bombenangriffe waren, da hat man die gestreiften, kahlgeschorenen Gestalten mal gesehen. Die wurden zum Bombenräumen eingesetzt. Hinter der Hand hieß es dann – wie bei unheilbaren Kranken –, der wird nie wieder was werden. Aber eine Vorstellung, was das bedeutete, hatte ich nicht.
Angestellte, 1921
Nachder Ausbombung wurde hie und da von » Dachau« gesprochen. Es sollte irgendwo bei München liegen. In diesem KZ würden alle BBC -Schwarzhörer gesammelt. Ich hatte damals als Hochbau-Technikerin so unglaublich viel mit dem Aufbau der teilzerstörten Reichsbahndirektion Hamburg zu tun, daß ich von anderen Dingen so gut wie nichts bemerkte.
Außerdem fehlte mir auch ein Radio. Wenn ich einen Apparat gehabt hätte, wer weiß…
Hausfrau
Nach einem Fliegerangriff soll der Kreisleiter gefangene Amerikaner in einen vollgelaufenen Bombentrichter geschubst haben. Das wurde erzählt, und man war empört darüber.
Später ist dieser Mann deswegen hingerichtet worden.
Studienrat, 1926
Ich war 1943 in Belsen als Soldat, und da war ja das KZ , und wir auf dem Truppenübungsplatz haben nichts davon gewußt.
Vertreter
Ja, gesehen in freier Luft, beim Arbeiten. In Weimar. » Das sind einerseits Kriminelle«, hat man gedacht, » oder andererseits sind’s Kommunisten.«
Daß Juden abtransportiert wurden, das wußte man ja.
Die Russen später wollten uns gar nicht glauben, daß wir so ahnungslos sind. Die hielten uns für besonders durchtrieben.– Ich war sehr naiv. Ich würde heute noch alles glauben.
Eine Frau
Nein, ich habe nichts gemerkt.
Als Zwangsverpflichtete habe ich eine Küche geleitet, und da hatte ich Ostarbeiterinnen unter mir, und da hab’ ich bei einem Trödler Sachen gekauft und ihnen gegeben. Diese Ostarbeiterinnen erzählten, sie seien auf der Straße aufgegriffen und nach Deutschland geschickt worden.
Am Freihafen war so ein Trödler. Bei dem lagen haufenweise Schuhe und Kleider.
Das fiel mir auf: » Wo kommt denn das her?« hab’ ich gefragt, weil es doch sonst nichts gab.– » Das kommt aus Neuengamme.« Aber was das war und wie es da war, das hab’ ich nicht gewußt.
Kfm. Angestellte, 1923
In Stettin hab’ ich am Hafen Polizisten gesehen, die hatten da irgendwelche Leute. Und diese Leute hatten komischerweise alle Halstücher wie die englische Fahne um den Hals. Ich weiß auch nicht, was das sollte.
Hausfrau, 1923
Im Krieg, 1943, bei einem Besuch in München, da hab’ ich einen Turnfreund gesehen, und der hat mir erzählt, daß er in Dachau als Aufsichtsperson… Der war zur SS eingezogen worden, nicht freiwillig, das muß es damals auch gegeben haben. Ich habe nie einen Menschen gesehen, der sich so verändert hat. Das konntest du dem am Gesicht ansehen, was das war. Ich habe aber nicht gewußt, daß Dachau ein KZ war, ich dachte, das ist ein Lager für Verbrecher.
Er hat erzählt, daß es dort so grausam wär, wenn er mal Ausgang hätte und aus dem Lager rauskäm, hätt’ er das Gefühl, als lebte er gar nicht mehr. Die konnten sich das Leben draußen nicht mehr vorstellen. Die waren so fertig von dem, was sie da mit angesehen haben. Das war furchtbar.
Aber direkt erzählt hat er nichts.
Jurist, 1921
Ich hatte bei den Soldaten einen Kameraden, der stammte aus Weimar, der kam vom Urlaub zurück. Sein Bruder war Aufseher in Buchenwald. Das sei ein Konzentrationslager, sagte er, in das sie alle diejenigen steckten, die gegen unsern Staat seien. Die Häftlinge kämen mit Bahnwaggons an, und dann würden sie ins Lager getrieben, und zu beiden Seiten stünden SS -Männer und schlügen auf sie ein, damit sie schneller ins Lager liefen. Er hätte auch mit eingedroschen– sein Bruder hatte ihn wohl ins Lager mitgenommen–, denn die hätten das ja auch verdient.
Da haben alle Landser, die da anwesend waren bei dieser Unterhaltung, gesagt, er sei ein großer Schweinehund, ob er sich nicht schämt, auf wehrlose Menschen
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