Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt
man, in den Zuchthäusern herrscht ein militärisches Regiment. Aber bald haben wir gemerkt, daß die Wachtmeister einen ganz unmenschlichen Ton am Leibe hatten.– Wir erfuhren dann: Das sind politische Häftlinge aus Dachau, was uns aber nicht irritierte. Der unterirdische Umgangston der Wachtmeister hat uns mehr irritiert als die Häftlinge, das mißfiel uns, das waren Proleten.
Bankbeamter, 1927
Sie werden lachen: Das erste Mal 1942. Mein Ortsgruppenleiter hat zu mir gesagt: » Und wenn du dich meinen Befehlen nicht unterwirfst, dann werde ich dafür sorgen, daß du im KZ die richtige Einstellung bekommst.«– Da hab’ ich meinen Vater gefragt, der war biederer Handwerksmeister, und der hat gesagt: » KZ ? Das werden diese Konzertlager sein.«
Ingenieur, 1931
Ich bin Österreicher. Ein alter Invalide, der in unserer Nähe wohnte, der hatte sich aus einer Fabrik, wo so alte Kleidung gesammelt war, fürs Winterhilfswerk was geholt. Gestohlen also. Und die Briefträgerin, die hat das erfahren und hat mit ihm geschimpft: » Wenn ich dich jetzt melde, kommst du ins KZ .«
Chemiker, 1925
Unser Pastor hat im Konfirmandenunterricht das Wort » KZ « erwähnt, und der ist nicht geholt worden. Das war 1942.
Beamter
Wir hatten einen Jugendkaplan, der ist verpfiffen worden von einem Klassenkameraden und ist ins KZ gekommen und dort gestorben. Der hatte eine Predigt gehalten und sehr deutlich und massiv zu verstehen gegeben, daß er diese einseitige Beziehung mißbilligt, und dann hatte er ’n bißchen vorausahnend ausgemalt, wie die Sache wohl weitergeht. Der ist in Dachau angeblich an einer Krankheit gestorben. Das ist nachlesbar. Hirschfelder hieß der Mann.
Hausfrau
In unserm Haus wohnte eine Familie Goldschmidt, im ersten Stock. Im zweiten wohnten Lewins und im dritten Lehmanns. Die waren durch ihren Namen im höchsten Maße verdächtig. Abgeholt wurde ein Fräulein Schmidt. Die war wirklich Jüdin. Es hieß: Die muß mal aufs Land. Die kam dann natürlich nie wieder.
Hausfrau, 1911
Ja. Man wußte, daß es KZ s gab, man wußte auch, daß da Menschen isoliert würden, aber was nachher mit ihnen geschieht, das wußte man nicht. Wir hatten in unserer Gemeinde eine Jüdin, die bei uns zum Glauben gekommen war und die Gemeindemitglied war, genau wie alle andern, die dann geheiratet hat und zwei kleine Kinder hatte, und eines Tages wurde sie abgeholt, sie allein. Der Mann, schon ziemlich alt, blieb mit zwei kleinen Kindern zurück. Der hatte selbst erwachsene Söhne, die draußen an der Front waren, der ist hingegangen und hat das auch geltend gemacht und wollte seine Frau wiederhaben, aber es war alles zwecklos. Auch unsere Gemeinde hat sich eingesetzt.– Wir hörten dann, daß die Frau selbst gesagt hat: » Es ist zwecklos.« Wahrscheinlich war der Abtransport schon beschlossene Sache, und wir haben dann nie wieder was von ihr gehört. Sie war ihm intelligenzmäßig weit überlegen, er war ein einfacher Mann.
Ihr letztes Quartier war in Frankfurt, in der Hammelsgasse. Da war das Gefängnis, das hing mit dem Gericht zusammen.
Das ging alles so schnell, daß eine Intervention schon zeitlich überhaupt nicht mehr möglich gewesen wäre.
Hausfrau, 1914
Ich hab’ einmal erlebt, sonntags mittags, kurz vor vier, in der Nähe vom Frankfurter Zoo und vom Ostbahnhof, da stand eine ganz große Menschengruppe mit so Bündelchen und Koffern und so, und man sah ja, daß es Juden waren, besonders, wenn sie so massiert dastanden, und man fragte sich: » Was geschieht mit denen?« Man hörte: » Die kommen nach dem Osten.« Aber was das bedeutete, das war uns natürlich überhaupt nicht klar. Man wußte von den KZ s eben nur, daß dort Kriminelle erfaßt waren, aber was mit ihnen geschah, das wußte man nicht.
Und die ganze Geheimhaltung– wir wissen ja heute ganz genau, daß man nicht die Möglichkeit hatte nachzuforschen: Was ist nun mit dem und dem Menschen? Man war ja so sehr mit seinem eigenen Überleben beschäftigt in den Bombennächten, daß man im Grunde genommen überhaupt keine Kräfte freisetzen konnte für andere Schicksale. Das hört sich brutal an, gell, aber man ist ja morgens aufgewacht und hat gedacht: » Gott sei Dank, du bist noch mal davongekommen«, und abends, je später es wurde, mit desto mehr Angst ist man ins Bett gegangen.
Landwirt, 1896
Daß es KZ s gab, haben wir erfahren, als es mit den Russen losging, 1941, und da haben wir erfahren… da ging es los mit dem Judenstern, und da wußte
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