Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt
erzählt, eine ganze Nacht.
Buchhändler, 1910
Nur nachher, zum Schluß, auf der Krim, da sickerte was durch, in Simforopol, als wir da in Quartier lagen: Da haben sie alle Juden, in einer Blitzaktion, nachts rausgeholt und in Panzergräben erschossen. Das sickerte so durch. Aber direkt gesehn, nie.
Lehrer, 1915
Nein. Nur während der Soldatenzeit in Polen. Da hab’ ich was gesehen, was mir sehr gestunken hat. Da lagen in Radom tote Kinder in den Gärten herum, ich hab’ sogar ein Gehirn da liegen gesehen.
Das war, wie die Ghettos ausgeräumt wurden. Ich glaube, das war 1943.
Bauer, 1913
Wie ich 1943 nach Hohensalza verlegt wurde mit der Einheit, ich war damals Batterieführer, und auf unserem Kasernenbereich war gleichzeitig das Lager der Heeresstandortverwaltung, mußten in diesem Lager KZ ler arbeiten. Und das KZ war unmittelbar in der Nähe der Kaserne, so daß man vom dritten Stock, also vom Boden, vom Lukenfenster aus, von oben reingucken konnte; wir haben es bloß einmal gemacht, weil wir so erschüttert waren, was da passierte. Es knallte, ab und zu hörte man Schüsse fallen, auch im Kasernenbereich. Dann hieß es, da haben sie wieder mal einen umgelegt.
Landwirt
Ich bin in der glücklichen Lage, nie was mit Hitler zu tun gehabt zu haben. Durch Erziehung und durch Umwelteinfluß bin ich vor diesem Irrweg bewahrt geblieben. Die Allgemeinheit hat natürlich gewußt, doch wollte man es nicht wissen.
Daß etwas existierte, wußte jeder.
Einen Fall habe ich selbst erlebt. Ich war in der Ortskommandantur und sprach mit dem Schreiber, und da kam eine kleine Frau rein, war ganz fröhlich, trippelte so von einem Fuß auf den andern, eine Polin war das, und als sie rausging, sagte der Schreiber zu mir: » Die weiß noch gar nicht, daß sie morgen erschossen wird.«
Das ist es, was mich ein ganzes Leben begleitet hat. Ich war dann im Krieg Kompanieführer. Meine Leute haben ganz genau gewußt, wie ich denke.
Eine Frau, 1918
Wir wohnten vier Jahre in Polen. Mein Mann hat in Auschwitz Juden inspizieren müssen, die zu vier Mann in einem Zimmer wohnten, vollkommen mit Läusen infiziert. Er sollte da nach Devisen suchen und Wertsachen. Er hat das sehr schwer ertragen. Er hat mir gesagt: » Wenn wir das überstehen, diesen Krieg, dann können wir froh sein, wenn wir mit dem nackten Leben davonkommen.«
Nachtportier
Natürlich Auschwitz. Ich bin drin gewesen, hab’ alles gesehen. Die haben sie ja auf alle möglichen Arten totgemacht. In’n Keller gesteckt und den Keller voll Wasser laufen lassen. Zuerst bis hier, dann bis hier, und dann gurgelten sie, und weg waren sie. Das hätte Adolf nicht machen sollen. Ordentlich anpumpen die Juden, bis nichts mehr da ist, aber keinen einzigen » kaltmachen«.
Als SS -Mann kam man ja notgedrungen mit so was in Berührung.
Dozent, 1925
Ja. Ende 43 bin ich mit einem Mann zusammengewesen, der Erschießungen mit angesehen hat und mir davon berichtete. Der Mann war Waffeningenieur. Er hatte in Krakau Kontakt gehabt mit einem SS -Offizier und ist dort mal eingeladen gewesen zu einem Ball, wo überwiegend SS -Offiziere anwesend waren. Da wurde getanzt und gesoffen, und im Morgengrauen setzten sie sich alle in Autos und fuhren vor die Stadt. Alle, auch die Frauen im Ballkleid. Und da standen Juden und hatten Gruben ausgehoben und standen am Grubenrand und wurden erschossen, fielen hinein in die Grube, und dann die nächsten. Das wurde da also vorgeführt als Attraktion. Der Mann erzählte mir das damals zitternd und flüsternd, so als ob er selbst einen Mord begangen hätte.
Deutlich ist mir an der Schilderung noch in Erinnerung, daß dieses Mitansehen der Erschießungen wie eine letzte Steigerung des Festes wirken sollte. Dieser Kitzel.
Noch heute wundere ich mich, daß das nicht bekanntgeworden ist. Denn diese eine Sache hätte ja genügt. So was muß sich doch rumsprechen.
Spediteur
Von meinem Großvater hab’ ich damals gehört, daß sie Leute mit Salz gefüttert haben. In KZ s würden sie mit Salz gefüttert, hieß es, eßlöffelweise, sie müßten antreten, und dann bekäm’ jeder einen Eßlöffel Salz.
Da ich bei der Kriegsmarine war und wir jeden Tag antreten mußten zum Lebertranempfang, da hab’ ich immer gedacht, wie unerträglich muß das sein, Salz essen zu müssen…
Angestellte
Ja. Peter Igelhoff, der war doch im KZ , und wir jungen Dinger hörten das damals und haben gesagt: » Oh, das muß ja fein sein im KZ , da sitzen all diese guten
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