Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt
Leute…« Wie wir jungen Dinger eben damals waren.
Lebensmittelhändler
Ich ging mit meinem Großvater an der ausgebrannten Synagoge vorbei, das muß 1943 gewesen sein, und ich war vierzehn Jahre alt. Da fragte mein Großvater: » Wo mögen bloß all die Juden sein?«
Da sagte ich: » Im Himmel, Großvater.«
Daß ich das gesagt habe, war mehr instinktiv, denn Genaueres wußte ich mit Bestimmtheit nicht.
Unternehmer, 1893
Den Begriff » KZ « kannte man damals nicht, man sprach vom » Lager«.
Nun war ja damals der Austausch von Gedanken so, daß ja doch bei jedem die Furcht dazwischenstand. Wenn man mit Menschen zusammenkam, die wußten nicht, wie man dachte.
Ich habe in unserer Firma viel mit ehemaligen SPD lern und Gewerkschaftlern zu tun gehabt, und da war eine Atmosphäre des Vertrauens, die hatten dann aber auch Gegner im Betrieb, Nazis, und dann wurde alles ’n bißchen schlechter im Austausch der Gedanken.
Daß Juden verschwanden, davon hatte man gehört, aber man wußte nicht, wohin.
Ein Mann, den wir übernommen hatten von einer andern Firma, der dort entlassen worden war, weil seine Frau Halbjüdin war, und der dann bei uns eingestellt wurde, der sagte mir, sein Schwiegervater sei nach Theresienstadt abgeschoben worden, der dann ja wohl ein Volljude gewesen sein muß. Über den weiteren Verbleib dieses Mannes kann ich auch nichts mehr sagen.
Man dachte immer noch, daß es vielleicht so etwas sei wie im Ersten Weltkrieg die Internierungslager. Welche teuflische Absicht dahintersteckte, konnte man nicht wissen. Von Theresienstadt hab’ ich also gehört, das war frühestens 1943.
Von dem ganzen Umfang des Lagerunglücks und der Vernichtungsmaschinen hab’ ich erst nach dem Kriege gehört. Da war man dann geneigt, das für Erfindung zu halten. Obwohl man viel wußte von den Schandtaten des Dritten Reiches, war man denn doch überrascht, daß so etwas geschehen konnte.
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Hausfrau
Ja. Als Einrichtung nicht, aber von den Insassen, die in Osnabrück Trümmer beseitigten. Da sah man die ausgemergelten, grauen Gestalten, bewacht von Leuten, die uns Schrecken und Furcht einjagten. Man wußte: Das sind schlecht behandelte Menschen. Daß die viel auszuhalten hatten. Es wurde die Devise verbreitet, daß das der Abschaum der Menschheit sei, von den maßgebenden Leuten.
Ich habe auch Leute beobachtet, die versuchten, diesen Menschen was zukommen zu lassen. Das konnte man sehen, Brot und Zigaretten.
Eine Frau, 1926
Ich arbeitete im Kriegshilfsdienst als Straßenbahnschaffnerin. Da mußten wir mal einen Waggon freihalten für Häftlinge, die Schnee schippen sollten. Die kamen kaum die Treppe rauf, so schwach waren sie. Und das stank! Den Gestank kriegte man überhaupt nicht mehr raus. Nach Pissoir stank das.
Eine Frau
Ich habe eine Erinnerung, aber auch wirklich nur die eine. Ich bin in Danzig gewesen, in einem Konstruktionsbüro, 1944, im Sommer. Da hab’ ich, wenn ich morgens durch das Tor der Fabrik kam, gesehen, daß zur gleichen Zeit die Frauen von Stuthof oder Struthof zur Arbeit getrieben wurden, im wahrsten Sinne des Wortes. (Das war ’ne Werft oder so was.) Die gingen in Dreierreihen, vielleicht hundert oder hundertfünfzig, begleitet von SS -Frauen in schwarzem Kostüm, mit ’ner Peitsche in der Hand, Stiefel an. Und die trieben diese armseligen Frauen an. Jeden Morgen. Das waren polnische Jüdinnen. Diese verhärmten, elenden Frauen. Die Peitsche haben sie nicht benutzt. Die Frauen waren so stumpfsinnig, die brauchten sie nicht zu benutzen.
Man hat gedacht: Das ist das Überbleibsel aus den besetzten Gebieten. Und wir mußten ja auch arbeiten. Mehr als Mitleid empfinden war nicht drin.
Ich war damals 23 Jahre alt.
Beamter, 1920
Uns geht’s schlecht, hieß es, und die sind schuld daran.
Studienrat
Im Hydrierwerk Stettin hab’ ich welche gesehen, etwa tausend waren das, die gingen grade zur Arbeit. Wenn das Werk kaputt war, wurden die eingesetzt. Das war immer ein Wechsel zwischen Kaputtgehen und Heilmachen. Produziert wurde kaum was. Die räumten da auf.
Kameramann
In Polen haben wir mal eine Fabrik besichtigt, Drohobitsch, westlich von Lemberg, 1944. Vorzeigehäftlinge waren das, gut genährt.– Das waren Juden.
Kaufmann
In Neubrandenburg war eine Firma, die Bombenabwurfgeräte herstellte, und in dieser Firma arbeiteten KZ ler, das waren KZ -Frauen, Polinnen, gutaussehende Leute, Damen. Das SS -Aufsichtspersonal waren Weiber, widerwärtig. Ich bin in vollster Empörung da
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