Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
Vom Netzwerk:
Naturen. Ich glaube nicht, daß es zu Verabredungen gekommen ist.– Die Aufseherinnen: Koppel, Pistole, korpulent, kurzröckig, dickbeinig.
    Redakteur, 1928
    Als Luftwaffenhelfer haben wir beobachtet, wie KZ ler und Russen zerbombte Straßen ausbesserten. Die sahen sehr ausgemergelt und zerlumpt aus. Wir hatten ja selbst nicht so sehr viel, und wenn wir uns Kartoffeln besorgten, dann haben wir versucht, denen was hinzuschaufeln. Das war uns strengstens untersagt, und die Wachleute waren sicher gehalten dazwischenzuschlagen, wenn sie bemerkt hätten, daß sich da ein Häftling an die Kartoffeln ranmacht. Die hätten’s vielleicht nicht aus eignem Antrieb getan, dazwischenzuschlagen, aber wegen der Vorschriften. Und wenn die sich womöglich weiter entfernt hätten, dann hätten sie sogar die Schußwaffen in Anschlag gebracht.
    Fernsehregisseur, 1927
    Ich war in Peenemünde als Luftwaffenhelfer, 1944, und da waren KZ -Häftlinge, die da gearbeitet haben und uns um Brot anbettelten. Wir wußten nicht, was das für Leute waren. Wir bedauerten sie zwar, aber konnten sie nicht richtig einordnen.
    Buchhändler, 1927
    Nein, ich habe absolut nichts davon gewußt. Gar nichts. 1944 kam ich nach Magdeburg, da war Fliegeralarm gewesen, wir mußten vom Hauptbahnhof zur Seeckt-Kaserne marschieren, und da hab’ ich gesehen, daß eine Brücke von KZ -Häftlingen repariert wurde, ausgemergelte Gestalten in gestreiften Uniformen.
    Wir konnten uns nicht mehr waschen, weil die Wasserversorgung unterbrochen war. Und wir mußten dann, wie das so war, zum gemeinsamen Waschen in der Elbe antreten.
    Volkswirt, 1928
    Ja. Das ist Ende 1944 gewesen, in Magdeburg, und diese Leute haben Bomben entschärft, in der Nähe unserer Flakstellung.
    Die Bewachung war lässig. Das waren allerdings Kriminelle, die Sicherungsverwahrung hatten und die auf Rabatt arbeiteten. Für jede entschärfte Bombe sollte ihnen was abgezogen werden. Die waren sehr gut ernährt, weil’s ’n Himmelfahrtskommando war.
    Drucker, 1893
    Nach der Zerbombung hatten wir unser Geschäft mit einem Fotografen und Retuscheur zusammen, und die kamen eines Tages und sagten: » Wollt ihr mal ’n Bild sehen?« Zeigten uns ein Foto aus dem Baltikum, von einem Soldaten mitgebracht: einen großen Kreis von Menschen, Soldaten, Zivilisten, und drinnen eine Anzahl Personen, wahrscheinlich waren es Männer und Frauen, welche noch in furchtbar abwehrender Haltung… ’ne ganze Menge, am Boden liegend, Blutlachen. Und da wütete ein Soldat wie ein Berserker mit einem Ding wie’n Brecheisen, der denen allen den Schädel einschlägt.– Und dann wurde auch ’ne Erklärung gegeben, die Juden seien schuld daran, daß eine Familie umgebracht worden sei. Weiteres, Näheres haben wir nicht erfahren. Wir kriegten das Bild auch nur gezeigt… es durfte ja keiner wissen, daß der, der diese Aufnahmen macht, so was kolportiert. Und der sie macht, der hätte, wenn er erwischt worden wäre, ja auch sein Leben riskiert.
    Schriftsteller, 1922
    Einmal sind wir mit unserer Heeresgruppe in Warschau ausgeladen worden, und dann marschierten wir vor, durch die zerstörten Städte. Und da hat irgendwo eine Frau mein Hemd gewaschen. Und die hat gesagt: » Hier sind keine Männer mehr, merken Sie das nicht?« Dieser Satz ist mir haftengeblieben. Das war eine Jüdin.
    Kameramann, 1920
    Die Österreicher, damals » Ostmärker« genannt, hatten für ihr Tabak-, Schnaps- und Salzmonopol spezielle Fabriken im Generalgouvernement, und die sollten wir filmen, das war 1944. Den Aufbau dieser Fabriken und wie Schnaps gemacht wird, wie Tabak angebaut wird, bei Lemberg da in der Gegend. Das haben wir gefilmt.
    Ich bin auch nach Warschau gekommen, und zwar gerade als sie das Ghetto angezündet haben, draußen stand die SS und hat jeden abgeknallt, der da rausgelaufen ist. Das hab’ ich selbst gesehen.
    In der Straßenbahn hat mich dann noch einer von der Wehrmacht verhaftet, der meinte, ich wär ’ ein Spion, Hände hoch und so weiter. Ich sag’: » Sie werden Ärger kriegen, ich bin beim Propagandaministerium angestellt als Kameramann«, das nützte nichts, der hat mich mit erhobenen Händen durch die Straßen geführt.
    Ich war deshalb kein Soldat, weil ich einmal Tbc hatte.
    Großhändler
    Persönlich?
    Wie ich mal auf Urlaub fuhr, da hab’ ich den Brand des Ghettos von Warschau gesehen. Wir fuhren in weitem Bogen um Warschau herum, so ungefähr, wie man jetzt um Berlin herumgeleitet wird, und über der Stadt – es

Weitere Kostenlose Bücher