Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt
rausgegangen.
Kunsterzieher, 1925
Zuerst hab’ ich davon gehört von Klassenkameraden, die bei der SS waren und auf Urlaub kamen und Andeutungen machten. Wenn man ein bißchen Phantasie hatte, konnte man sich einen Reim darauf machen. » Wenn der Krieg zu Ende ist, wird es keinen Juden mehr geben. Die werden alle umgebracht.«
In Wien war ich auf der Luftwaffenschule. Ich arbeitete ’ne Zeitlang auf einem Flugplatz, da sollte eine neue Startbahn gebaut werden für Düsenjäger, und da sah ich eines Morgens einen riesigen Güterzug, und da guckten furchtbar viele Leute raus. Und da fuhr ein Lastwagen vorbei, und da wurde immer was rausgeschmissen aus den Waggons, das waren Leichen.
Im November 1944 muß das gewesen sein.
Es waren Juden, die sie gerade in Ungarn zusammengetrieben hatten, die sollten den Flugplatz ausbauen.
Später haben sie dann in Baracken gewohnt und zogen jeden Morgen zum Flugplatz. Man war entsetzt und erschüttert. An sich hatte man ja nichts damit zu tun, aber man war entsetzt. Diese lange Reihe von Elendsgestalten, der Rabbi vorneweg, mit langen Locken, der opferte sich anscheinend auf.
Als wir das sahen, glaubten wir nicht mehr an den Endsieg. Wenn wir vorher bereit gewesen waren, für Führer und Vaterland zu sterben, dann haben wir uns jetzt ganz bewußt gedrückt.
Ich hatte einmal Wache, da zog wieder so eine Kolonne vorbei. Da kam ein Mädchen, das wollte denen Brot hingeben. Aber ein Wachtposten, so ein alter Volkssturmmann, der mußte das Mädchen daran hindern, und das Mädchen fing an zu schimpfen, fürchterlich. Ich hätte da eigentlich einschreiten müssen.
Die Welt, in der man gelebt hatte, war gestört. Alles, was man uns gesagt hatte, stimmte nicht mehr.– Meine Kameraden sahen das nicht so. Später, wenn ich sie traf, dann sagten sie: » Ja, da war ja was, aber richtig aufgenommen haben wir das nicht.«
Ich war damals neunzehn. Ein völlig unreifer Junge. Die heile Welt, in der wir gelebt hatten, war kaputt.
Pastor, 1928
In Osterode bin ich mit einem Klassenkameraden in einem Gebiet gewesen, was eigentlich gesperrt war. Das war ein Steinbruch, und er war der Sohn des Besitzers. Die Häftlinge sollten ein unterirdisches Hydrierwerk anlegen. Und ich habe gesehen, wie die Kapos mit Knüppeln dazwischenschlugen.
Graphikerin, 1936
Als ich acht, neun Jahre alt war, bin ich nach Auschwitz gekommen, weil mein Vater dort dienstverpflichtet war. Wir haben in dem Ort gewohnt. Hab’ aber keinen Kontakt gehabt mit den Häftlingen, das wurde von mir abgehalten.
Aber einmal: Die Häftlinge wurden morgens in kleinen Trupps zum Werk geführt, von SS , und da hab’ ich einmal beobachtet, wie Kapos auf Häftlinge eingeschlagen haben, weil sie einen Essenkübel fallen ließen.
Sonst hab’ ich davon nichts gewußt, weil meine Eltern mich davon ferngehalten haben.
Kraftfahrzeugtechniker
An unserer Kaserne wankte eine Kolonne von Häftlingen vorbei, von vielen Posten bewacht, mit Schäferhunden. Tausend Leute waren das, vom Bahnhof zu den Horchwerken wurden sie gebracht. Wir dachten, das wären Zuchthäusler.
Bauer, 1913
Wir haben Arbeitskolonnen gesehen, die zu irgendwelchen Arbeiten da bei uns vorbeizogen, in einem ganz jämmerlichen Zustand, abgemagert und in schlechten Klamotten, Judenstern usw. Da hab’ ich das erste Mal erfahren, daß es KZ s gab. Weiter könnte ich mich eigentlich nicht erinnern, also von Vergasung usw. hat man nie gehört.
Ingenieur, 1916
Ich habe gegen Ende des Krieges KZ -Häftlinge beim Einsatz in einem Industriebetrieb gesehen. Das war das einzige Mal. Man wußte kaum etwas.
Das waren Juden, vorwiegend, die waren mehr oder weniger unterernährt. Es war verboten, denen etwas zu essen zu geben. Ich weiß aber, daß die, wenn möglich, etwas zugesteckt bekamen. Das war außerordentlich schwierig, man riskierte, daß man von der Bildfläche verschwand.
Man hatte das Empfinden, da geschieht etwas, was nicht ganz in Ordnung ist, aber dann ging der Vorhang zu.
Chemievertreter, 1921
Ja, habe ich, in Rechlin. Das waren Frauen, die wurden unter Bewachung an unserer Einheit vorbeigeführt, jüngere Frauen, ich hab’s noch vor Augen, die Aufseherinnen mit Pistole am Koppel. Die riefen zu den Soldaten Scherzworte hinüber, Verabredungen: » Ich muß erst die Schmuckstücke wegbringen!« Wobei die gefangenen Mädchen natürlich nicht ansprechbar waren. Die durften nicht aufschauen. Dies ist allgemein sehr deprimiert aufgenommen worden, bis auf die derben
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