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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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es kam der Ober und sagte: Der Führer kommt, ich bitte das Rauchen einzustellen. Dann wurden vier Tische geräumt, an einem nahm er Platz, und die Nachbartische blieben frei.
    Ich war dann auf der Toilette, und wie ich zurückkam, da stand er in der Halle mit Ribbentrop, der kam irgendwoher aus Italien, und Hitler stand vor ihm, und das kann ich ganz präzis sagen, bei aller Distanz zu dem Zirkus, ich war so impressioniert gewesen von ihm, daß ich in dem Moment, wo ich auf Armeslänge entfernt war, er mir verblüffend klein vorkam. Und da er einen sehr komischen zweireihigen Anzug anhatte, in dem er keine gute Figur machte, wirkte er wie eine kuriose kleine Figur, eigentlich wie ich ihn mir heute vorstellen würde. Und: was den Eindruck noch verstärkte, daß er vor dem Ribbentrop mit eingeschlagenen Armen stand. (Ribbentrop war uninteressant wie immer, der Mende von heute, möcht ich sagen.) Aber der Hitler… ich hab’ von daher… versteh’ ich heute ein bißchen, daß Hitler vonder Zeit an nie wieder in Zivil aufgetreten ist. Das war wohl damals der letzte Auftritt in Zivil. Er trug einen hellgrauen Flanellanzug mit einem weißen Nadelstreifen, Doppelreiher, und die Pose war lächerlich.
    Hausfrau, 1930
    Ja, ich hab’ ihn mal gesehen. Das war in München. Er stand mitten in einer Menschenmenge auf einem Podest, oder in einem Auto. Als Mann fand ich ihn nicht sympathisch, fast unsympathisch. Er war furchtbar blaß.
    Eine Klassenkameradin war von ihm so begeistert, daß sie in ihre Schulbank lauter Hakenkreuze schnitzte. Diese Begeisterung konnte ich nicht verstehen, als ich ihn sah.
    Personalchef, 1929
    Wir guckten uns München an. Im Haus der Deutschen Kunst, da ging so ein Raunen durch die Menge: der Führer! Der trank da draußen Kaffee. Wir sind dann auch rausgegangen, da stand der grade auf, wurde eskortiert von schwarzer SS . Ich war enttäuscht, man dachte so an einen braungebrannten, sportlichen Menschen, aber er hatte eine rosige Gesichtsfarbe, es blieb der Eindruck, daß man gar keine Führergestalt vor sich hatte, nicht braungebrannt.
    Er stieg dann in sein Auto, ein offener schwarzer Mercedes, wie wir ihn als Kinder zum Spielen hatten, im Katalog stand drin: Führermercedes.
    Alle erstarrten, und keiner sagte was. Und erst als er aufstand, brüllte alles » Heil!«.
    Fast frauliche Gesichtszüge.
    Taxifahrer, 1914
    1937.– Wenn man sich das vorstellt: Anhalter Bahnhof: Vor dem Krieg kamen hier pro Tag 92 Züge an, reibungslos. Und der ist jetzt stillgelegt.
    Ich war vor dem Krieg schon Taxifahrer, ich hatte einen Stöwer mit Außenschaltung. 500 000 Kilometer lief der. Die Wagen wurden angeschafft, um 10 bis 20 Jahre damit zu fahren. Haben auch für damalige Zeit verhältnismäßig viel Geld gekostet. Die mußten gefahren werden, bis sie auseinanderfielen.
    Taxifahrer, 1911
    1937.– Mit den Pennern haben sie damals ja aufgeräumt. Da hatt’ ich auch mal einen, das war gleich am ersten Tag, als ich zum ersten Mal ein Taxi fuhr, der konnte nicht bezahlen. Ich sag’: » Was gibste denn als Pfand?« Armbanduhr wollt’ er nicht geben, Jacke auch nicht. » Was soll ich nun mit dir machen?« hab’ ich gefragt (das war ’ne Zeche von 6–7 Mark). Da sagt er: » Aussteigen lassen.«– Ich sag’: »Nee, Freundchen, so leicht geht das nicht.« Und denn bin ich zum nächsten Polizeirevier gefahren. Die Polizisten gingen nach nebenan und kamen wieder und sagten: » Das hat der schon sechsmal gemacht. Fahr man eben ’n paar Runden, bis der Schnellrichter da ist.« Da sagt er: » Kann ich nicht eben nach Hause, Kaffee trinken?«– » Nee, zum Kaffeetrinken haste nachher genug Zeit. Da haste genug Zeit zu.« Ich hab’ denn ’n paar Runden gedreht, und dann kam er vor den Schnellrichter und kriegte auf ’n Schlag ein halbes Jahr Gefängnis ohne Bewährung. Da hat er geheult. Die Taxifahrer hätten ihm das so leicht gemacht!– Das hat alles nichts genützt, der wurde verhaftet und gleich ab. Und am nächsten Tag stand’s in der Zeitung. Was meinen Sie wohl! Das hat abgeschreckt! Das ging gleich durch die ganze Unterwelt: Schwarzfahren geht nicht mehr.
    Kommen Sie heute mal zur Polizei: » Der kann nicht bezahlen.« Die sagen: » Was schleppste uns denn da an? So was mußt du gar nicht erst einladen.«
    Förster, 1916
    Ich war auf Zimmersuche, in Berlin-Charlottenburg sauste ich herum. Damals wurde das Opernhaus umgebaut, um so was kümmerte sich Hitler ja sehr, Benno von Ahrendt und all diese Leute.

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