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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Ich kam zufällig da vorbei, sah zwei oder drei Mercedesse da stehen, mit niedriger Hausnummer, und da kamen Hitler und Goebbels aus dem Opernhaus, 20, 30 Berliner standen da rum, die klatschten denn so, wie’s heute auch wäre.
    Hausfrau, 1907
    Unter den Linden, in Berlin, da war so ein Café, wo da so ein Lampengeschäft in der Nähe ist. Und wir saßen da in dem Café, und ich mußte aufs Klo. Und im Klo hab’ ich das Fenster so ein bißchen aufgemacht, daß ich da beim Sitzen rausgucken konnte. Und auf einmal fährt der Hitler da draußen vorbei, steht auf dem Auto, und er guckt direkt in das Klo rein und sieht mich da sitzen, wie ich da mit dem nackten Po sitze. Mensch, ich hab’ vielleicht das Fenster zugemacht!
    Chemiker, 1916
    In Berlin hab’ ich ihn gesehen, in der Wilhelmstraße, Reichskanzlei, beim Rausfahren. Eine Mischung von Jubel und… Da kam ein Berliner vorbei: » Watt is’n hier los?« » Wir warten auf den Führer.«– Der Berliner: » Ach so.« Das war was ganz Normales für den.
    Prokurist, 1909
    Einmal in der Staatsoper. » Meistersinger«– oder nicht? Doch, ich glaube: » Meistersinger«. Ich habe ihn von der Bühne aus gesehen; ich sang damals im Chor mit. Er saß im Rang, genau in der Mitte. Die Leute standen alle auf, hoben die Hand und schrien » Heil!«.
    Buchhändlerin, 1926
    Wir sind mit unserm Auto nach Bayreuth gefahren, und an der Straße stand ein SA -Mann, der wollte mitgenommen werden. Mein Vater hat angehalten und die Scheibe runtergekurbelt und hat gesagt: » SA marschiert mit ruhig festem Schritt!«, und ist weitergefahren.
    Kunstmaler, 1914
    1937 wurde ich Soldat, und durch freundschaftliche Verbindung bekam ich durch Olga Göring Karten für Bayreuth, und da erlebte ich als Gefreiter mit 14 Tagen Sonderurlaub die Bayreuther Festspiele. Da war die ganze Obrigkeit da, und ich saß vier Plätze unter Adolf Hitler. Habe also genau erlebt, wie er da saß mit Herrn Keitel zusammen und sonstigen Leuten, die ich gar nicht alle nennen will.
    Kurz vorher war ich über die Mosel gefahren. Der Fährmann hatte mich als einzigen Fahrgast übergesetzt. Und der hat zu mir gesagt: » Soviel Wasser wie die Mosel hat, soviel Blut bringen die zusammen.« Und daran mußte ich denken, als die da oben saßen. » Tristan und Isolde« wurde gespielt. Und Hitler saß da oben, als würde er überhaupt nichts von Musik verstehen. Der glotzte immer so fürchterlich.
    Ich halte Hitler für einen Mann, der da hineingeschoben wurde. Die Hintermänner waren viel wichtiger. Es waren ja auch Engländer in Bayreuth und Amerikaner. Superbosse. Überall hörte man englisch reden. Ich habe manchmal gedacht, daß die Chicagoleute, diese Gangster, den Hitler vorgeschoben haben. Mein Gott!
    Und in der Pause dies Getue, mit ihren Damen, wie die sich ziemlich allmächtig fühlten, wie die Götter. Und wir hatten ja eigentlich Handgranaten in der Tasche, waren aber klug genug, nix zu machen.
    Der Hitler ist mir oft im Traum begegnet. Daß dieser Mann in großer seelischer Not gewesen sein muß, das ist mir dadurch klargeworden.
    Dirigent, 1904
    Ich habe ihn mal gesehen, wie er mit Mussolini heimfuhr. Wir wohnten am Kaiserdamm, in der Bismarckstraße, und da hatten wir einen Balkon, und von da aus hab’ ich den Bruder mal gesehen, das ist das einzige Mal.
    Ich muß Ihnen sagen, Berlin war ja damals eine Stadt, die am wenigsten von Hitler erobert wurde, außer vielleicht Hamburg und Bremen. In Berlin gab es zu viele Leute mit Grips, den Berlinern konnte man nichts vormachen.
    Kritiker
    Ich habe ihn bloß einmal gesehen, das ist in dem Jahr gewesen, als Mussolini nach Berlin kam, 1937 muß das gewesen sein, als ich über den jetzigen Kaiserdamm ging, da kam er angefahren, ich wurde abgedrängt, und da war eine Masse Volk, die schrie und jubelte und: Gleich kommt Hitler, Sie können nicht über die Straße rüber, bleiben Sie drüben… Und dann fuhr er vorbei und stand also mit dieser bekannten Geste oben, und ich merkte eigentlich nur– vielleicht bahnte sich da schon der kommende Theaterkritiker an: Er war falsch geschminkt, er war extrem braun, das Gesicht war beschmiert, er hatte sich schon fertiggemacht für den Auftritt im Olympiastadion, wo er also dann wohl frisch und leuchtend aussehen sollte. Bloß vorbeifahren, sonst habe ich ihn nie gesehen.
    Architekt, 1929
    In Rostock auf dem Bahnhof, mit Mussolini zusammen. Wir haben immer bloß » Duce! Duce!« geschrien. Adolf war im zweiten Wagen, der Duce kam

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