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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Eimer.
    Hausfrau, 1922
    Dezember 1937 kriegten wir einen neuen Radioapparat, einen riesigen Kasten mit rot leuchtenden Röhren, einen Körting. Als der eingeweiht wurde, kamen alle Freunde und Verwandte, um sich das anzugucken. Und weil so viel Licht im Haus brannte, kam prompt Kurzschluß. Alles duster!
    Regisseur, 1926
    Als der Weltmeisterkampf Joe Louis gegen Max Schmeling war, da haben wir uns nachts mit’m Wecker wecken lassen, damit wir den hören konnten. Da haben wir uns ans Radio gesetzt und hörten Herrn Schmeling verlieren. Erste Runde gleich k. o.
    Es ging ein großes Entsetzen durch ganz Deutschland.
    Rundfunkredakteur, 1924
    Ich hatte von meinen Eltern den Hitler bekommen, diese Figur, die den Arm rauf und runter machen konnte. Und mit diesem Hitler bin ich in die hintere Kammer gegangen, und da hab’ ich einen Galgen gebaut und hab’ ihn immer aufgehängt. Den Galgen hab’ ich aus Matador-Baukasten gebaut.
    Kfm. Angestellter, 1929
    Hitler, ist das denn heute noch interessant? Ich sah ihn 1937/38 im Ruhrgebiet. Volksauflauf, schwarzes Auto, an mehr erinnere ich mich nicht.

8
    Fabrikant, 1929
    1938.– Nazi hin– Nazi her: Als ich 9 Jahre alt war und vom Lehrer hörte, daß Hitler erst seit 5 Jahren Regierungschef in Deutschland ist– ich fiel aus allen Wolken! Ich hatte gedacht, der Mann wär’ ewig da.
    Hausfrau, 1905
    Das ganze Leben hat sich umgestellt. Ich war nicht für Hitler, aber soviel ich mich erinnern kann, haben wir eine gute Zeit gehabt. Wirtschaftlich ging es nach 33 bergauf mit uns, wir hatten keine Arbeitslosen und gar nichts. Jeder konnte sich ’ne Reise erlauben und alles mögliche. Das ganze Leben hat sich geschäftlich für meinen Mann im Guten ausgewirkt, das kann ich nicht anders sagen.
    Gastwirt, 1928
    Die entsetzliche Situation nach dem Tode meines Vaters. Das riesige Haus, keine Gäste, kein Geld, einen Sack voll Schulden, über die meine Mutter gar nicht informiert war. Mein Vater war ein feiner Verberger und hatte also Hunderte von unbezahlten Rechnungen im Schub. Und ein dauerndes Hin und Her von Gläubigern im Hause, die meine Mutter mächtig peinigten. Da kann ich mich ganz genau dran erinnern. Dann: Dank Adolf, selig, der nationale Aufschwung, an dem wir natürlich auch teilhatten, und zwar insofern, als denn recht flugs, 1935/36, meine Mutter alles heranzog, was möglich war, was Geld brachte, um uns über die Runden zu schaffen. Und zwar machte sie alle möglichen Sachen mit genesenden Bergleuten aus dem Saargebiet und mit werdenden Müttern von der NSKO V , und da hatten wir natürlich das Haus bis unter die Decke voll, und das war eine sehr erfreuliche Sache. Wenn man in die Tasche faßt und hat ’n Igel drinne, denn ist das schlecht, nicht? Du hast doch lieber das Knistern in der Tasche, das ist logisch, nicht? Insofern waren die Jahre 36/37 und natürlich das goldene Jahr 38, wo man also echt das Gefühl hatte, aus’m Brand zu sein, wo man hoffte, daß die Weichen gestellt sind und es ’ne ganze Weile schön geradeaus geht, daß also nach alter Väter Sitte: Pfennig, Pfennig, Pfennig, Groschen, Groschen, Groschen, Mark, Mark Mark und denn ’n bißchen mehr sich aufhäuft. Das Gefühl hatte man eigentlich.
    Oberst
    1938 war ich im schönen Kissingen. Die Bäder, Massagen, Bestrahlungen, Moorbeutel, Spaziergänge usw. haben mir sehr gut getan. Den Rakoczy-Brunnen konnte ich aber nur schlecht vertragen, zum Schluß mußte ich ihn ganz aufgeben.
    Abends waren immer gute Veranstaltungen im Kurtheater. Morgens um 7 Uhr wurde von der guten Kurkapelle am Brunnenhaus ein Choral intoniert, und die Versammelten nahmen– soweit vorhanden– die Hüte feierlich ab und verharrten im Stillgestanden, bis der Morgenchoral zu Ende gespielt war, um dann in lebhafte Gespräche verwickelt mit ihren gefüllten Brunnengläsern zu brillieren. Damals war das Publikum erstklassig.
    Arzt, 1921
    Den hab’ ich erlebt beim Gauparteitag in Dessau, da marschierten wir mit der HJ in Zwölferreihen mit Hochgefühl an ihm vorbei. Er stand im Auto, so in der typischen Haltung, das faszinierte irgendwie, es fühlte sich jeder angesehen.
    Volkswirt, 1928
    Ich hab’ ihm sogar mal die Hand gegeben. Das war in Magdeburg auf dem Hauptbahnhof. Da hielt der Zug. 10 Jahre alt war ich da. Das war Zufall. Wir wollten woandershin, der Bahnsteig war abgesperrt, und ich bin über die Absperrung gestiegen, und einer von den Bullen hat mich hochgehoben, ans Fenster des Zuges, und der Hitler hat mir die

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