Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt
man.
Pianist, 1925
Konzentrationslager? Ich habe damals nur gehört von einem Schulkameraden, dessen Bruder Leutnant war. Dem wurde Dachau vorgeführt, wie ordentlich und korrekt das da zugeht. Daß die Häftlinge die Aufgabe hätten, alle möglichen Geräte auszuprobieren, das wurde denen auch gesagt, Marschstiefel usw. Da entstand dann der Eindruck, daß es eine höchst angenehme Sache sei, so über den Krieg zu kommen.
Buchhändler, 1925
1942, als ich Rekrut war, hatte ich einen Kameraden aus Lietzmannstadt, jetzt Lodz, sein Vater war Ortsgruppenleiter, und der erzählte ganz lapidar, daß man im Lietzmannstadt-Ghetto aus Juden Seife machte.
Es ist heute unfaßbar, daß man das so einfach zur Kenntnis nahm.
Bibliothekarin
Wir haben in Lodz gewohnt, und meine Mutter ist jeden Tag mit der Straßenbahn an dem Ghetto vorbeigefahren. Die hat das überhaupt nicht realisiert.
Hausfrau
Im Zug hat einer zu mir gesagt: » Da liegt Weimar, dort werden die Juden vergast…«
Germanist, 1913
Daß es eine Vergasung gibt, habe ich auf folgende Weise erfahren. Ich war befreundet mit einem Mädchen, die einen Bekannten hatte, der Arzt war. Der war bei der SS . Die Eitleren waren bei der SS , die andern bei der SA . Es war Krieg, und der Mann, von dem ich hier erzähle, bekommt eine Kommandierung nach Polen in ein Lazarett. So hatte es jedenfalls geheißen. Der fuhr dann mit einem Zug dahin, und plötzlich war die Eisenbahn zu Ende, und da stand eine Wellblechhütte, und da war eine Anlage, und man hat ihm erklärt, daß das eine Vergasungsanlage ist, und er sei als Arzt dafür zuständig. Er war entsetzt. » Wieso?« Da haben die andern von der SS gesagt: » Weltjudentum, das ist doch selbstverständlich, daß das vergast wird.« Daraufhin hat der Mann auf der Hinterhand kehrtgemacht und ist nach Deutschland zurückgefahren. Ihm sei dann zu Hause nichts passiert, jedenfalls nichts, was das Mädchen gewußt hätte. Von dieser Geschichte abgesehen, die ich 42 erfuhr, habe ich während des Krieges dann nie wieder etwas Ähnliches erfahren.
Hausfrau, 1918
Mit meinem Mann, und zwar im Jahre 42, habe ich mal ein KZ -Lager gesehen, mein Mann machte mich dort darauf aufmerksam. Ich hab’ wohl auch mal die Kolonnen gesehen. Und dann hat man sich natürlich immer mehr Gedanken darüber gemacht, wenn das nun schon vier bis fünf Jahre so war, daß das unter Umständen bösere Folgen und bösere Auswirkungen annehmen könnte. Im Laufe des Krieges wurde das ja so vertuscht, und man hatte mit sich selber zu tun, daß man überhaupt über die Runden kam, daß man sich kaum um so etwas positiv gekümmert hat.
Drogist, 1934
Als ich acht Jahre alt war– ich bin aus Dithmarschen–, kam ein Mann auf Urlaub, und er erzählte, das sei gar nicht so einfach, die Menschen zu sortieren, die Frauen links, die Männer rechts, und die Kinder da drüben hin. Und dann: » Ausziehen!– De Strümp herhen, de Büxen dorhen!« Das sei schwer für ihn, wenn die dann nackend an die Grube treten und bumm! Und wenn dann die Kinder kämen und sagten: » Onkel, laß mich doch leben…«
Dieser Mann bedauerte sich selbst mehr als die Menschen, die er durch Genickschuß tötete.
Ich hab’ das damals als Achtjähriger genau kapiert und jedes Wort behalten. Es war eine Mischung von Sensationsgier und Angst.
Hausfrau, 1926
Von einem Fechtmeister, der war beim SD , von dem wußten wir, daß er immer über die ostpreußische Grenze nach Litauen fuhr. Aber was er da gemacht hat, weiß ich nicht. Das hat er nicht erzählt.
Hausfrau, 1924
Ich hatte einen Vetter bei der SS , der hat sich geweigert, Juden zu erschießen. Das war in der Familie bekannt.
Geograph, 1928
Mein Vater war in der schwarzen SS , und 1942 war er mal sechs Wochen aushilfsweise Arzt in Sachsenhausen. Und als er da wiederkam, da war Feierabend. Das Hitlerbild hing zwar noch da, aber es wurde nicht mehr gesprochen über Nationalsozialismus. Da war er wohl kuriert. Da hat er wohl zuviel gesehn.
Ein Mann
In Feldafing hab’ ich KZ ler gesehen, am Rande eines großen Parks, einer Wiese, tauchten eines Tages Lastwagen der Firma Hoch-Tief auf, Stacheldraht wurde gezogen und Baracken wurden aufgestellt. Wir dachten: Da kommen Franzosen rein, aber als das fertig war, kamen wieder diese Lastwagen, und die hatten Zuchthäusler an Bord, so wirkte das jedenfalls, sie hatten gestreifte Anzüge und Topfmützen. Sie sprangen runter vom Lastwagen und mußten antreten. » Rechtsum!« Na ja, dachte
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