Habgier: Roman (German Edition)
die Nachricht, indem er drei frittierte Teile nacheinander verschlang.
»Wie Sie wissen«, fuhr Darwin fort, »hat das Ermittlerteam sämtliche vermissten weiblichen Personen außer Roseanne Dresden ausmachen können. Dieser unbekannte weibliche Leichnam stellt also ein echtes Problem dar.«
»Sind Sie sicher, dass er weiblich ist?«, fragte Marge.
»Die Beckenknochen, ihr Winkel und ihre Form, sind höchstwahrscheinlich weiblich«, antwortete der Doktor. »Aber selbst wenn wir von einem kleinen Mann oder einem Jugendlichen ausgehen, haben wir immer noch ein Problem. Es fehlen nur noch zwei männliche Identifizierungen: ein alter Mann um die siebzig und ein Mann um die vierzig. Diese Beckenknochen passen weder zu einem Siebzig- noch zu einem Vierzigjährigen. Sie sind sehr wahrscheinlich von einer Frau, und ich würde sogar sagen, von einer jungen Frau. Aber einer alten jungen Frau, denn ich glaube, dass der Leichnam schon vor dem Absturz da lag. Nachdem der Kiefer nicht zu Roseanne Dresdens Röntgenbildern gepasst hat, haben wir uns die Knochen mal genauer angesehen. Auf der Oberseite des Schädels ist eine schön deutlich geformte Mulde zu erkennen.«
»Stumpfes Trauma durch Gewalteinwirkung«, sagte Decker. »Mord.«
»Wahrscheinlich wäre das mein Fazit, wenn der Körper besser erhalten wäre. Momentan setze ich eher auf mangelnde Beweiskraft wegen mildernder Umstände.«
»Wie lange hat der Leichnam dort gelegen?« Oliver war beim fünften frittierten Teil angekommen.
»Wenn er vor dem Feuer entdeckt worden wäre, hätte ich eine genauere Vorstellung davon. Jetzt ist eine Zeitbestimmung nahezu unmöglich.«
Decker zwirbelte die Enden seiner Barthaare, um seine Hände davon abzuhalten, noch einmal beim Dessert zuzulangen. »Können Sie uns wenigstens die Herkunft verraten?«
»Vielleicht weiß, vielleicht hispanisch.«
»Super, das beschränkt unsere Suche in L.A. auf ungefähr ein paar Millionen Menschen«, sagte Oliver.
»War sie in den Trümmern des Gebäudes, oder lag sie im Boden unter dem Gebäude?«, fragte Decker weiter.
»Da müssen Sie das Untersuchungsteam befragen, aber ich glaube, es stehen noch Reste des Fundaments. Ich wüsste also nicht, warum das Team unter den Fundamenten graben und einen Leichnam entdecken sollte.«
»Wenn sie in den Trümmern gefunden wurde und nicht unter dem Fundament, dann kann ihr Tod nicht länger zurückliegen als das Konstruktionsdatum des Gebäudes«, vermutete Decker. »Lasst uns mal herausfinden, wann das Apartmenthaus hochgezogen wurde. Danach gehen wir alle Vermisstenmeldungen von diesem Zeitpunkt bis heute durch. Ich würde den Schädel gerne zur forensischen Rekonstruktion geben, damit wir den Knochen ein Gesicht geben.«
»Die Knochen sind zu zerbrechlich. Sie würden bei der Abformung des Schädelmodells zerbröseln. Dadurch gingen die letzten forensischen Beweise verloren, die der Schädel vielleicht noch liefern könnte.«
»Das Ganze ist ein Alptraum«, sagte Marge. »Endlich finden wir eine Vermisste, und dann ist es nicht Roseanne. Außerdem haben wir statt eines möglichen Mordes jetzt zwei.«
Im Stillen stöhnte Decker. Er hasste ungelöste Mordfälle, und der hier war zu allem Überfluss auch noch steinalt. Aber seine größte Sorge galt dem bevorstehenden Gespräch mit Farley Lodestone. »Können Sie uns irgendwie helfen, den Mord auf einen Zeitpunkt festzulegen?«
»Nicht durch das Skelett. Aber in einem Punkt haben wir unglaubliches Glück.«
»Die Kleidung!«, rief Marge aus.
»Genau, die Kleidung.« Darwin aß das letzte frittierte Teilchen und fragte nach der Rechnung. »Ein großer Stofffetzen blieb einigermaßen erhalten. Kein Etikett mehr, aber es scheint, als hätte unsere Jane Doe ein auf dem Rücken mit Buchstaben bedrucktes T-Shirt getragen. Sie wurde mit dem Gesicht nach oben begraben, und das T-Shirt ist aus einem synthetischen Material und daher nicht so leicht zersetzbar. Ich bewahre es in einem vakuum-verschlossenen Plastikbeutel auf. Wir können gerne zu meinem Büro fahren und es unter dem Mikroskop näher untersuchen.«
Marta, der tätowierte Teenager, händigte Darwin die Rechnung aus, fixierte dabei aber Decker. »Dessert war okay?«
»Köstlich.«
»Beim nächsten Mal versorgt Germando Sie mit was Besonderem. Kein Problem, wenn Sie Vegetarier sind. Wir haben bestimmt was für Sie.«
»Ich werd’s mir merken.«
»Ist so, wir kriegen heutzutage alle möglichen Wünsche rein. Dies nicht, jenes nicht, ohne
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