Habgier: Roman (German Edition)
gut, Mr. Marlowe.«
Die Verbindung wurde kommentarlos unterbrochen. Zehn Minuten später, als Oliver gerade sein Chrysler PT Cruiser Cabrio aus dem Polizeiparkplatz rangierte, klingelte sein Handy wieder.
»Wie wäre es am Montag gegen drei?«
Marlowe war in der Leitung und hielt nichts von langen Vorreden. »Hervorragend«, sagte Oliver, »und vielen Dank, dass Sie den Termin so schnell hinbekommen haben.«
»Ich komme zu Ihnen ins Revier, und keine krummen Touren, oder ich schnapp mir Ihre Dienstmarke.«
»Nur zu«, flüsterte Oliver.
»Was?«
»Haben Sie vielen herzlichen Dank, Mr. Marlowe, Sie waren mir wirklich eine große Hilfe.«
11
Das Entzünden der Kerzen läutete den Beginn des heiligen Ruhetages ein und hieß mit Gesang und Essen den Schabbes als Braut willkommen. Frisch geduscht und rasiert fühlte sich Decker wie neugeboren. Da er beschlossen hatte, nicht in die Synagoge zu gehen, zog er sich bequeme Sachen an, eine Khakihose, ein schwarzes Polohemd und Sandalen. Sein Magen knurrte, angeregt durch die Düfte, die aus der Küche kamen, und das Wasser lief ihm im Mund zusammen, als er sich an den Tisch setzte. Rina hatte für sieben gedeckt, mit dem guten Porzellan und Kristallgläsern, und der Schmuck in der Mitte des Tisches war von ihr selbst entworfen und arrangiert worden. Das Material dazu stammte aus ihrem neuesten Hobby: Sie hatte die Grünfläche hinter dem Haus in einen Englischen Garten verwandelt, mit atemberaubenden Farben und Blüten. Es wimmelte nur so von Insekten und Vögeln. Sie nannte es ihren persönlichen Garten Eden.
Rina trug an diesem Abend ein smaragdgrünes schlichtes Kleid und flache silberne Schuhe. Ihr Haar hatte sie zu einem Knoten geschlungen und es mit einer Mantilla aus Spitze bedeckt, die weich über ihren Rücken fiel. Hannah hatte für das Wochenende zwei Freundinnen eingeladen, und mit Cindy und Koby waren die Gäste komplett. Sobald Rina Besuch hatte, gingen ihre Kochgene mit ihr durch. Das Abendessen begann mit frisch geräuchertem Graved Lachs zu einer Senf-Dill-Sauce. Danach gab es eine pürierte Kürbis-Karotten-Suppe, gewürzt mit Zimt und Ingwer, gefolgt von Rucola-Salat mit Orangen- und Grapefruitschnitzen. Als dann das Hauptgericht serviert wurde – mit Reis gefüllte Truthahnbrust, dazu grüne Bohnen und Babykarotten – hatte niemand mehr wirklichen Hunger. Doch dieser Umstand hinderte weder einen der Anwesenden daran weiterzuessen, noch ließen sie sich davon abbringen, den Plum Cobbler zu verdrücken und das Ganze mit den ersten Kirschen der Saison abzurunden.
Nachdem sie sich alle dick und dumm gefuttert hatten, versuchte Rina es mit einer tugendhaften Ausrede, damit sich alle besser fühlten. »Der Nachtisch besteht fast nur aus Obst, bis auf die Streusel obendrauf.«
»Das ist das Beste daran«, sagte Koby, »ich nehme noch ein Stück.«
»Auf dich ist Verlass, Yaakov«, freute sich Rina und löffelte eine weitere Kelle dieser mit Streusel bedeckten Mixtur auf seinen Teller.
»Das liegt nur daran, dass ich, wenn’s ums Essen geht, keinen Ausschaltknopf habe.«
»Wie schön für dich«, brummelte Decker.
Rina schleuderte ihrem Mann einen »Benimm dich«-Blick entgegen, auch wenn sie genau wusste, was er meinte. Mit seinen eins neunzig war Koby spindeldürr, drahtig und unvermutet stark. Genau wie Decker war er handwerklich geschickt. Dem Sabbat zu Ehren hatte er als Kleidung ein weißes Hemd, eine schwarze Hose und Slipper ohne Socken ausgewählt. Cindy trug einen schwarzen Strickrock und einen türkisen Pulli, der ihre roten Haare, zur Verfügung gestellt von Deckers DNA, unterstrich. Hannah und Cindy sahen sich sehr ähnlich mit ihrem roten Haar, den roten Augenbrauen und Wimpern, und der gleichen reinen Alabasterhaut, aus der die Sonne Sommersprossen hervorlockte. Der einzige Unterschied lag in der Farbe ihrer Augen: Cindys waren braun, Hannahs grün. Die Schwestern glichen sich, obwohl sie von verschiedenen Müttern abstammten.
»Habt ihr beiden einen Urlaub geplant?«, fragte Decker seine ältere Tochter.
»Noch nichts Genaues«, antwortete Cindy.
»Wir planen ein Wochenende in Santa Barbara«, fügte Koby hinzu.
»Brauchst du Hilfe beim Abräumen?«, fragte Hannah ihre Mutter. Sie und ihre zwei Freundinnen waren seit zehn Minuten mit dem Dessert fertig und fieberten ihrem Abgang entgegen, um endlich über wichtige Dinge reden zu können: Schule, Gedichte, Alternativrock, Gossip-Girl-Bücher – und Jungs, Jungs,
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