Habgier: Roman (German Edition)
Frühstück?«
»Nein.«
»Wie wär’s mit Müsli und Saft?«
»Ich hab keinen Hunger.«
»Du musst etwas essen.«
»Nur Saft, in der Schule gibt’s ein Glas Milch.«
»Aha, heute ist eine Flüssigdiät angesagt.«
»Statt hier mit dir zu reden, hätte ich locker meine zusätzlichen fünf Minuten Schlaf haben können.«
»Und hättest dir glatt unser Gespräch entgehen lassen?«
»Oh Mann!« Hannah setzte sich auf und schob sich die Haare aus dem Gesicht. »Ich muss mich jetzt anziehen.«
Decker salutierte und ging aus dem Zimmer. In der Küche setzte er Kaffee auf und goss seiner Tochter ein großes Glas Orangensaft ein, obwohl er wusste, dass sie nur ein Drittel davon trinken würde. Hannah war hochgewachsen für ihr Alter, wen wunderte es, und wie alle Teeniegirls hasste sie ihren Körper, der aus schlaksigen Gliedern und einem knubbeligen Mittelteil bestand. Natürlich war sie keineswegs zu dick; ihr Körper und die langen Gliedmaßen passten nur noch nicht zusammen. Sie lag in den Geburtswehen der Pubertät, und dazu gehörten die Adjektive launisch, verschlossen und höhnisch . Und dann wieder gab es Phasen, in denen sie so verletzlich und unglaublich schmusig war.
Sein Handy klingelte. Die bekannte Stimme am anderen Ende der Leitung sagte: »Ich hab dich doch hoffentlich nicht geweckt, oder?«
Es war Koby. »Nein, nein«, antwortete Decker, »heute Morgen schiebe ich Dienst als Chauffeur. Was gibt’s, Kumpel?«
»Nach einigen Mühen habe ich nicht nur das Gerät aufgetrieben, sondern auch noch den passenden Techniker. Das Ganze muss heute Punkt fünf Uhr stattfinden, oder aber der Techniker macht Feierabend und zischt ab.«
»Moment, Moment, ich kann dir nicht folgen.« Decker goss sich erst mal eine Tasse Kaffee ein und nahm einen Schluck. »Wovon redest du?«
»Von der computergesteuerten Schichtaufnahme samt Techniker für deinen Schädel.«
In Deckers Kopf herrschte absolutes Chaos. »Willst du mir sagen, du hast eine Maschine und einen Techniker gefunden, der ein CT von dem Schädel machen kann?«
»Haargenau.«
»Erstens also, vielen Dank. Ich rufe sofort das Leichenschauhaus an und veranlasse das Nötige. Und zweitens: Wer hat dich angerufen?«
»Unser Lieblingsdetective Scott Oliver. Ich tue ihm den Gefallen, weil ich weiß, dass er insgeheim immer noch meiner Ehefrau hinterherschmachtet. Nun gut, meine Schicht beginnt in zehn Minuten. Cindy meinte, du könntest am Sonntag mit beim Haus helfen?«
»Ja, genau, um wie viel Uhr denn?«
»Cindy bereitet einen Brunch vor, also gegen elf? Rina zeichnet uns einen Entwurf für den Garten. Und Hannah ist selbstverständlich auch eingeladen, aber ich nehme an, sie hat andere Pläne.«
»Elf Uhr klingt gut, Yaakov, und noch mal vielen Dank. Ich bin mir sicher, dass du eine Menge Hürden nehmen musstest, um die Genehmigung für uns zu kriegen.«
»Stimmt, aber immerhin hab ich mir kein Bein gebrochen.«
Bis Decker sämtliche Namen auf seiner Liste der Seacrest-Mieter überprüft hatte, war es bereits kurz nach zwei Uhr nachmittags. Und er hatte bei weitem nicht alle ausfindig machen können. Ihm fehlten noch sieben Frauen im Alter zwischen vierundzwanzig und fünfzig, die irgendwann in den Jahren 1974 bis 1983 in dem Apartmenthaus gewohnt hatten. Wenn man seine sieben zu den vermissten Frauen auf den Listen seiner beiden Kollegen zählte, kam man auf entmutigende sechsundzwanzig Fälle. Das bedeutete weitere Ermittlungen, wobei sie dann bald allen möglichen Nebenwegen nachgehen müssten.
Es war zwingend erforderlich, Jane Doe ein Gesicht zu geben.
Dem Himmel sei Dank für Koby. Als Oberpfleger der Neugeborenen-Intensivstation hatte er Zugang zu allen medizinischen Einrichtungen. Aber erst seine Überzeugungskraft hatte den Deal perfekt gemacht. Koby war der Inbegriff des Charmes, und es hatte der Sache sicherlich nicht geschadet, dass der Techniker aus der Radiologie ein guter Freund von ihm war.
Zufall oder Hashgacha Pratit ?
Im Moment war Decker einfach zu müde, um über philosophische Fragen zu sinnieren. Er hatte Kopfweh vom vielen Kaffee und einen leeren Magen. Es war an der Zeit, grundlegende Bedürfnisse zu befriedigen. Er griff nach seiner Jacke und traf sich mit Marge und Oliver auf dem Polizeiparkplatz.
»Willkommen zu Hause«, begrüßte er Marge.
»Danke, danke. Wir haben ein Zeitproblem.«
»Was soll denn das heißen?«
»Wir haben Ivan den Schrecklichen erreicht«, erklärte Oliver.
»Er war nicht besonders
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