Habiru
ihren Durst stillten sie am Fluss, der noch parallel zu ihrem Weg führte. Das Wasser des Flusses war klar und kalt. Dort, wo sie hinuntergingen, floss er nicht so schnell wie sonst, er schlängelte sich hier zum Meer. Auf ihrem weiteren Weg kamen wieder in die hügeligere, nur leicht bewachsene Graslandschaft. Hier konnte man sich schlecht verstecken, aber sie vertrauten einfach auf ihr Glück, nicht entdeckt zu werden.
Die Wolken hatten sich noch weiter verdunkelt, es lag ein dunkler Schleier über dem Land. Es sah ganz anders aus als noch auf ihrem Hinweg vor zwei Tagen. Viel düsterer. Schena und Sarah gingen nebeneinander her.
Schena fragte: »Wir haben noch gar nicht über dein letztes Erlebnis, hm, in deiner Welt gesprochen. Wie viele Tage vergingen dieses Mal in deiner Welt? Was hast du herausgefunden?«
»Ich bin das erste Mal direkt wieder hier aufgewacht, nicht zu Hause.«
Schena schien zu überlegen. »Und was war gestern morgen? Du wolltest mir gerade erzählen, was passiert war, als die...« sie schluckte und hörte auf zu sprechen.
Erst jetzt wurde Sarah wieder bewusst, dass sie noch nicht über ihre letzten Erlebnisse zu Hause gesprochen hatte, da sich seit gestern morgen die Ereignisse überschlagen hatten.
»Ich hatte nach Informationen über die Habiru gesucht. Und auch tatsächlich etwas gefunden, aber das war nicht so doll.«
Schenas Augen wurden groß. »Was hast du herausgefunden?«
Sarah war wieder mal nicht sicher, was sie Schena erzählen wollte. Deshalb zögerte sie kurz: »Die Habiru sind kein Volk, sondern eine alte Bezeichnung für Menschen, die Nichtsesshaft waren und minderen Rechts.«
»Nichtsesshaft, das heißt, sie wandern?«
»Richtig, das wussten wir ja nun schon vorher. Sie scheinen untrennbar mit der Wüste verbunden zu sein, wir nennen diese ewig wandernden Menschengruppen auch Nomaden.«
»Und was bedeutet minderen Rechts?«
»Tut mir leid, da muss ich passen. Was ich erfahren konnte, war, dass diese Menschen überall auftauchten und das fast gleichzeitig.«
Sarah schluckte. Sie fühlte sich nicht wohl, wenn sie Schena daran erinnerte, dass bei ihr zu Hause diese Kultur nur noch als Historie bekannt war.
»Noch etwas ist mir aufgefallen. Eigentlich konnte ich gar nicht wissen, wie Habiru gesprochen und geschrieben wurde - denn wir wissen nicht mehr, wie die Zeichen, die für diesen Begriff verwendet wurden, ausgesprochen wurden. Und dennoch habe ich den richtigen Begriff in die Suchmaschine eingegeben.« Schena antwortete nicht. Anscheinend konnte sie damit auch nichts anfangen. Nach ein paar Sekunden des Schweigens fragte sie: »Das verstehe ich nicht! Eure Sprache und eure Schrift ist anders als die unsere? Wir Ma-sa sprechen alle eine Sprache, und auch die Völker um uns herum sprechen alle die gleiche Sprache.«
»Ehrlich?« Sarah staunte. Aber es stimmte - selbst die Habiru sprachen die gleiche Sprache. Und sie konnte sie verstehen, auch wenn ihr ab und an bestimmte Wörter fremdartig vorkamen und sich die Sprache generell etwas anders anhörte.
»Na klar. Frag egal wo du bist nach Wasser, und du wirst immer Wasser bekommen.«
Eigentlich hörte sich das logisch an.
Sarah dachte nach. »In meiner Welt gibt es Hunderte verschiedener Sprachen, und die meisten Menschen können sich nur mit Übersetzern verstehen. Oder wenn man sprachgewandt ist und mehrere Sprachen lernt. Ich lerne in der Schule mehrere Sprachen, neben Deutsch auch Englisch und Französisch. Wasser heißt im englischen Water, im französischen Eau und in Spanien, wo ich schon mal im Urlaub war Aqua.«
Schena schaute verwirrt. »Ich kann mit all deinen Begriffen nichts anfangen. Aber nun wundert mich nicht mehr, dass in eurer Welt so viel Krieg ist. Ist doch klar, wenn die Menschen sich untereinander nicht verstehen.« Sarah traf es wie ein Schlag. Aus zwei Gründen. An solch Argument hatte sie noch nie gedacht. Dabei war es sonnenklar. Wenn die Menschen sich nicht verstehen, konnte man ihnen alles mögliche über den »Feind« erzählen. Und keiner konnte den Wirklichkeitsgehalt prüfen, wenn man nicht miteinander kommunizieren konnte. Das natürliche Mitleid, was vielleicht jeder Mensch kannte, wurde so gehemmt, wenn nicht komplett ausgeschaltet. Sie beschloss augenblicklich, zu Hause weiter in diese Richtung zu forschen.
Und der zweite Grund war die Erwähnung des Wortes Krieg. Das erinnerte sie an die Kriegsdrohung gegen den Irak. Und dabei überschlug sich ihr Verstand. Langsam
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