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Habitat C (German Edition)

Habitat C (German Edition)

Titel: Habitat C (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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unweigerlich mit dem Tod des Wirtes einherging. Zu dem Zeitpunkt würde dies Carol Myas bereits egal sein, da ihr eigener Hirntod sie weit vorher umbringen würde. Das war das Geschäft, das sie damals bei vollem Bewusstsein eingegangen war. Dafür verlängerte Grant die Lebensdauer ihres Körpers signifikant – nicht nur für sich, sondern auch für sie – und war ein sehr hilfreicher und kundiger Geist, der niemals ruhte und über eine erhebliche Lebenserfahrung verfügte. Sein vorheriger Wirt – das hatte er Myas wohl damals zu erzählen vergessen – war ebenfalls ein Mensch gewesen, eine große Nummer in der Unterwelt, und er hatte damals von diesem Mann mindestens genauso viel gelernt wie dieser von ihm.
    Das war eine sehr befriedigende Zusammenarbeit gewesen, leider vorzeitig beendet durch das eifersüchtige Verhalten eines Rivalen, der diesem gewaltsam Ausdruck geben musste. Grant hatte daraufhin beschlossen, Politiker zu werden, da die Rivalen dort eher selten mit scharfkantigen Gegenständen aufeinander losgingen.
    Obgleich auch das vorkam.
    Und er konnte die gerade gesammelten Erfahrungen erstaunlich reibungslos auch für seinen neuen Wirt nutzbar machen.
    Sein Volk war alt, verdammt alt, und zwar um einiges älter, als der Rest der Galaxis ahnte. Es gab auch nicht mehr allzu viele von ihnen: Die Mehrzahl schwamm in einem trüben See auf seiner aktuellen Heimatwelt herum, verlor sich in metaphysischen Kontemplationen oder vertrieb sich die Zeit einfach mit heftigem Sex. Eine kleine Minderheit hielt es für notwendig, ein wenig mehr zu tun als das, und war bereit, die individuelle Bewegungsfreiheit für eine größere, manchmal virtuelle Reichweite des eigenen Handelns und Denkens einzutauschen. Rein theoretisch konnten die Artgenossen Grants sich in Exoskeletten fortbewegen, in Androidenkörpern unterschiedlicher Bauart. Aber sie schätzten die Einsamkeit nicht besonders, stammten sie doch alle aus dem gleichen See, in dem sie ständig mit ihren Artgenossen verbunden waren, noch kein Kollektiv, aber dann doch eine enge Gemeinschaft, eine beruhigende, stetige, wärmende und wohltuende Gesellschaft der Bewusstseine wie der Körper, auch wenn Letztere nur aus träge in der Flüssigkeit dahintreibenden Gewebeklumpen bestanden. Jene seines Volkes – das sich selbst schlicht die Nachkommen nannte, wobei den meisten gar nicht klar war, auf welche Vorfahren sich das eigentlich bezog –, die eine solitäre Existenz wählten, galten als mindestens exzentrisch, wenn nicht völlig geisteskrank. Die Erfahrung zeigte, dass diese Form der Vereinzelung langfristig in der Tat negative Konsequenzen auf die geistige Gesundheit hatte, wobei die Definition dessen, was »gesund« war, möglicherweise nicht viel mit dem Konsens darüber zu tun hatte, den die meisten anderen Bewohner der Akte zur Grundlage ihrer Bewertung machten.
    Da es aber nie genug Nachkommen gab, die gemeinsam in die Galaxis vordrangen, suchten sie sich eine andere Form der Gesellschaft, und die Einbettung in die Nervensysteme anderer Intelligenzwesen – natürlich auf der Basis vollständiger Freiwilligkeit – gehörte zu den bevorzugten Wegen. So hatte sich Grant einst mit Carol Myas verbunden, als diese noch eine kleine Systemadministratorin gewesen war, deren Sektor zufällig auch jene Welt umfasste, auf der Grants vormaliger Wirt seinem Unwesen nachging. Als er aus dem sterbenden Körper des getöteten Mannes herausgeschnitten worden war, hatte er einige Monate warten müssen, als Gewebeklumpen in einem Reagenzglas, weitgehend sensorischer Wahrnehmung beraubt, eine sehr unerfreuliche Situation. Eine Verkettung glücklicher Umstände, verbunden mit der Einforderung alter Schulden, hatte zu seinem neuen Wirt geführt, eine der besten Entscheidungen seines langen Lebens.
    Andere seiner Artgenossen hatten nicht so viel Glück. Jene, die mit ihren Wirten starben, waren noch am besten dran. Andere, die ihre Existenz in den Händen unfähiger Quacksalber beendeten oder in irgendwelchen medizinischen Archiven auf entfernten Welten, weil dort niemand wusste, mit wem sie es eigentlich zu tun hatten – an die wollte Grant gar nicht lange denken. Er war jetzt schon einige Leben unterwegs und hatte immer sehr viel Glück gehabt. In der Akte konnte man einigermaßen überleben. Sein Volk war nicht berühmt, aber wichtigen Leuten bekannt. Die Fortsetzung seiner Existenz war nie hundertprozentig sicher, doch es gab immer wieder ausreichend Freiwillige.
    Carol

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