Habitat C (German Edition)
funktionieren anders als die gemeinhin in der Akte gebräuchliche Technologie. Es gibt keine einzeln stehenden Rechenanlagen, die mit physischen oder energetischen Verbindungen konnektiert sind. Die Niib benutzten eine sehr weit entwickelte Form von Quantencomputern, deren Prozessorkapazität in ihre Gebäude integriert war. Wenn man so will, war jede Wand, jede fest eingebaute Maschine, jede Sitzgelegenheit ein Teil des Prozessors. Auf dieser Basis wurde endlose Redundanz ermöglicht und nur die vollständige Vernichtung ganzer Welten oder Stationen führte zum Abbruch der Datenkalkulation.«
»Auf dieser Basis müssen die Niib grandiose KIs erschaffen haben«, warf Zant ein. »Diese könnten noch aktiv sein oder durch die Manipulationen erweckt werden, oder?«
Hardan schüttelte den Kopf.
»Soweit wir es wissen, hatten die Niib eine große Furcht vor künstlicher Intelligenz. KIs waren für sie eine Bedrohung ihrer Macht, eine Spezies mehr, die ihrer Kontrolle eines Tages entgleiten mochte. Keine ihrer Maschinen war so programmiert, dass sie einen der sieben Turing-Tests hätte bestehen können. Da die Niib über einen überragenden und vollständig genutzten Intellekt verfügten, konnten sie dieses Defizit immer kompensieren. Es war nie der entscheidende Vorteil konkurrierender Völker, über KIs zu verfügen. Es besteht eher die aktuelle Gefahr, dass die Verschwörer auf der Basis der Niib-Technologie eine eigene KI installieren. Dafür gab es zwar bisher keine Anzeichen, aber wenn sie dies tun sollten … nun, sie wäre sehr, sehr mächtig. Und obgleich ich nicht ganz so paranoid wie die Niib klingen möchte: Sie wäre unkalkulierbar, im wahrsten Sinne des Wortes.«
»Und damit in den falschen Händen, ohne die ethischen Failsafes, eine gigantische Gefahr«, vervollständigte Daxxel den Gedanken.
»Die Gefahr, dass die Niib zurückkehren, ist ungleich größer«, beharrte Hardan. »Keine KI kann jemals so gefährlich sein wie eine kollektive Geistesanstrengung der Niib – und die damit verbundene kollektive Bosheit.«
Daxxel und Zant blinzelten sich zu, sagten aber nichts. Die Soldatin bemühte sich vielmehr, das Gespräch wieder zum Kern der Sache zurückzuführen, und machte eine allumfassende Handbewegung.
»Das alles hier ist also ein einziger Prozessor?«
»Oder mehrere, direkt miteinander verbunden. Die Unterschiede dürften rasch verwischen.«
»Das heißt, auch diese tote, staubige Ecke ist theoretisch mit dem aktiven Quantencomputer unserer Gegner zu verbinden.«
»Auch praktisch. Wir benötigen nur eine Energiequelle. Aber wie gesagt: Unerkannt bleibt diese Intrusion nicht. Die Sicherheitsprotokolle können uns nicht aufhalten – wir sind ja bereits im System drin –, aber wir werden sofort Alarmglocken erklingen lassen und unser Aufenthaltsort ließe sich auch relativ leicht herausfinden.«
»Was können wir tun?«, fragte Daxxel mit einer gewissen Hilflosigkeit in der Stimme. »Wir müssen einen Fluchtplan entwickeln.«
»Wir wissen nicht einmal genau, was für Machtmittel die Verschwörer haben«, gab Zant zu bedenken. »Wie viele Leute unter Waffen? Welche Waffen? Transportmittel?«
»Transportmittel …«, echote Hardan und sah plötzlich sehr gedankenverloren drein. Er sprach einen seiner Begleiter an, in ihrer eigenen Sprache, schnelle, abgehackt wirkende Laute, die wie Maschinengewehrfeuer klangen. Es entbrannte eine schnelle, eruptive Diskussion. Daxxel hatte den Eindruck, dass hier in kürzester Zeit eine erhebliche Menge an Informationen ausgetauscht wurde, mehr als in einer länglichen Diskussion im intergalaktischen Standard. Er wartete geduldig ab, was ihm umso leichterfiel, da nach etwas mehr als einer Minute offenbar eine Übereinkunft erzielt worden war.
»Es gibt da etwas, das uns helfen könnte, wenn die Not sehr groß ist. Ich möchte nicht dazu raten, aber Sie beide sollten es wissen«, sagte er dann. Er zögerte, und das gab Daxxel zu denken. Seine Sorge wurde dadurch vergrößert, dass die Droge, die ihn sehr, sehr glücklich gemacht hatte, in ihrer Wirkung nachließ und er sich der Wände, der Decke und seiner Einbildung lauernder Gesteinsmassen über sich wieder stärker bewusst wurde.
»Heraus damit«, forderte er den Bodaren auf.
»Die Niib hatten neben den konventionellen Fahrstühlen eine zweite Möglichkeit des schnellen Transports in ihren unterirdischen Anlagen. Sie gehört zu den Einrichtungen, die aus uns unerfindlichen Gründen keine aktive
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