Habitat C (German Edition)
persönlichen Referenten, der zusammenfasste, was die Nachtschicht so sortiert hatte und was sonst noch auf der Tagesordnung stand. Und danach, meist etwas länger, einem sehr meditativ wirkenden zweiten mit Grant. Für den Beobachter wirkte es, als würde sie schlafend in ihrem Sessel hocken und sich entspannen. Tatsächlich war sie dann in eine hochgradig konzentrierte und komplexe Interaktion mit ihrem Symbionten verstrickt, die ein höheres Maß an Informationsdichte vermittelte, als sie der Referent jemals präsentieren konnte. Ihre Mitarbeiter hüteten sich, sie während dieser Zeit anzusprechen. Nur absolute Notfälle durchdrangen den energetischen Privatsphärenschirm, der sich dann um ihr Büro legte. Es kam sehr selten vor, dass jemand ihr zweites Briefing stören musste.
Auch heute unterbrach sie niemand.
»Die Sache am Habitat entwickelt sich nicht so gut«, informierte Grant sie an diesem Morgen und tat damit etwas, was er zuletzt gleich mehrmals hinausgeschoben hatte. Die Reaktion der Präsidentin war ruhig, sie hatte in ihrem Leben zahlreiche Katastrophen erlebt und konnte einiges ertragen. Allerdings hatte sie ein Gespür dafür entwickelt, wann Grant zum Understatement neigte, und die Art ihrer emotionalen Reaktion, obzwar sorgsam unter Kontrolle, zeigte ihm, dass sie es gemerkt hatte.
»Erkläre mir das«, dachte sie in völliger Gelassenheit.
»Mein Team hat die Spur Daxxels verloren. Und wir stellen fest, dass die Verschwörung tiefer in die Machtstruktur der Akte involviert ist als vermutet. Ich habe an einigen Fronten Schwierigkeiten.«
»Schwierigkeiten?« Immer noch ganz ruhig. Bis die Präsidentin sich aufregte, musste es zu mehr kommen. Grant wusste, dass er da noch einiges in petto hatte.
»Die Leute bei der Finanzaufsicht zeigen sich wenig motiviert, meine Anstöße bezüglich gewisser Untersuchungen ernst zu nehmen. Ich kann mir das nur so erklären, dass einige von ihnen mit den Manipulatoren unter einer Decke stecken.«
Da wurde Carol wach. Die mentalen Spikes, die Grant in seiner symbiotischen Funktion deutlich wahrnahm, schossen nach oben.
»Das wäre schlimm. Sollte ich mit dem Finanzminister reden?«
Grant schwieg. Die Spikes tanzten, als Carol Myas ihre Schlüsse zog.
»Grant?«
»Ich …«
»Grant. Willst du damit andeuten, dass er auch drinstecken könnte? Er ist seit zehn Jahren mein politischer Weggefährte, ich habe mich immer auf ihn verlassen können. Shit, er hat das eine oder andere Mal meinen hübschen Arsch gerettet. Grant! Sag, dass ich hier völlig danebenliege!«
»Es gibt … Diskrepanzen.«
Der Tanz ging weiter. Jetzt regte sie sich richtig auf. Von außen wurde es dadurch erkennbar, dass sie etwas schneller atmete und ihre Hände unruhig wurden.
»Grant! Muss ich dir wirklich heute alle Würmer einzeln aus der Nase ziehen? Bedenke bitte, dass ich nur noch einige Jahrzehnte zu leben habe! Lass uns die Probleme angehen, bevor du mein Gehirn aufgefressen hast!«
Der Symbiont signalisierte ein neuronales Seufzen. Er schätzte Myas’ pragmatischen Umgang mit ihrem biologischen Ende, aber dass sie diesen immer wieder nutzte, um seine angeborene Vorsicht auszuhebeln und zu klaren Worten zu drängen, widerstrebte ihm.
»Ich habe die privaten Geldtransfers der Minister untersucht, diskret natürlich.«
»Meine auch? Diskret?«
»Ja.«
»Ist meine Bestellung anthirischer Schurwolle endlich auf dem Weg?«
»Sie sollte morgen eintreffen.«
»Gut. Der Winter kommt. Was hast du herausgefunden?«
»So einiges, wie immer, wenn man sich mal gründlicher umsieht als sonst. Jedenfalls habe ich bei zwei Kollegen Hinweise darauf, dass sie weitaus wohlhabender sind, als sie offiziell deklariert haben, und über Konten bei Instituten verfügen, deren Reputation nicht die allerbeste ist.«
Carol stieß ein Schnauben aus, das ihrer Verachtung über die Entdeckungen ihres implantierten Faktotums Ausdruck geben sollte. Grant aber spürte, dass die Hälfte davon nur Schauspielerei war.
»Das ist alles? Ich habe auch Dinge getan, über deren Reputation wir uns streiten können.«
»Die Nutzung von virtuellen Sexsimulationen ist mittlerweile gesellschaftlich anerkannt, Carol«, belehrte Grant sie gelassen. »Das beinhaltet auch Fantasien, in denen du vom meranischen Kalifen mal richtig genommen wirst.«
»Ich bin die Präsidentin. So was könnte durchaus missverstanden werden, wenn es herauskommt.«
»Von mir erfährt niemand etwas.«
»Was tun wir also
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