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Hackenholt 06 - Reichskleinodien

Hackenholt 06 - Reichskleinodien

Titel: Hackenholt 06 - Reichskleinodien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Mohr
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in Fahrt. Sie erzählte eine Geschichte, Sage, Anekdote nach der anderen. Schwadronierte über berühmte Künstler, Handwerker und adelige Bürger der Stadt. Rasselte Jahreszahlen herunter und jonglierte mit bedeutenden Ereignissen in Nürnberg zwischen dessen erster urkundlicher Erwähnung und heute.
    Am Heilig-Geist-Spital begann sie plötzlich mit verstellter Stimme zu wispern: »Es war im Jahr 1340. Der Spitalmeister war verschwunden, der Medicus verstorben und kein neuer weit und breit zu finden. Der Einzige, der noch Verantwortung übernahm, war der Bader. Doch eines Tages stellte sich beim Rat der Stadt ein neuer Medicus vor. Forsch war sein Auftreten. Ein stattlicher Mann. Er sagte, er sei gekommen, um zu helfen. Er wolle die Kranken innerhalb eines Tages heilen. Das sei natürlich nicht billig. Man einigte sich auf zweihundert Gulden.
    Daraufhin ging der Medicus von Krankenbett zu Krankenbett und flüsterte allen zu: ›Ich will dich gesund machen, die Medizin dafür ist schon bereitet. Es fehlt nur noch eine einzige Zutat.‹ Die Menschen wurden neugierig und fragten: ›Welche? Können wir Euch helfen?‹ ›Das Einzige, das noch fehlt, ist Menschenpulver. Nirgends in der ganzen Stadt konnte ich es finden. Daher werde ich es selbst herstellen müssen. Den Schwächsten, der morgen früh noch hier im Bett liegt, den werde ich nehmen.‹«
    Sophie hatte ihre Stimme so weit gesenkt, dass Winter sich gespannt zu ihr vorbeugte, um nur ja nicht zu verpassen, wie die Geschichte ausging.
    »Am nächsten Tag, frühmorgens, schallte es sodann durch die Krankenhallen: ›Wer gesund ist und laufen kann, der laufe!‹ Fenster und Türen flogen auf – und alle rannten weg.« Sophie lachte Winter an. »Ein paar Stunden später waren die Kranken zwar alle wieder da, aber Till Eulenspiegel war bis dahin längst über alle Berge – und die zweihundert Gulden mit ihm.«

Samstag
    In der Nacht wälzte sich Sophie ruhelos im Bett hin und her. Plötzlich schreckte sie mit einem leisen Stöhnen hoch.
    »Was ist los?«, fragte Hackenholt, der wegen ihrer Unruhe genauso wenig schlafen konnte. »Geht es dir nicht gut?«
    »Krampf«, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    Automatisch griff er in die andere Betthälfte und begann, ihre Wade zu massieren.
    »Falsches Bein.«
    Nach einer Weile ließ sich Sophie vorsichtig zurücksinken.
    »Ist er vorbei?«
    »Ich denke schon.«
    »Soll ich dir eine Magnesiumtablette holen?«
    »Nein, lass mal, ich muss sowieso aufs Klo.« Sie strampelte die dünne Bettdecke zur Seite, hielt aber plötzlich erneut inne. Hackenholt hörte, wie sie scharf die Luft einsog.
    »Was ist los? Irgendwas stimmt doch heute Nacht nicht mit dir.«
    »Ich glaube, das war noch mal eine Wehe.« Sophie klang unschlüssig.
    » Noch mal eine?«
    »Ich hatte schon dreimal das Gefühl.«
    »Wirklich? Das wäre ein bisschen früh.«
    »Hm-mh.«
    »Sollen wir ins Krankenhaus fahren, um abklären zu lassen, ob alles in Ordnung ist?«
    »Ronja geht es gut, sie turnt seit einer ganzen Weile herum. Wahrscheinlich waren das die ersten Senkwehen. Mach dir keinen Kopf. Ich rufe am Montag meinen Arzt an.«
    »Wie soll ich mir keine Gedanken machen, wenn ich mitbekomme, dass etwas nicht stimmt?«
    Anstatt einer Antwort nahm Sophie Hackenholts Hand und legte sie auf ihren Bauch, damit er selbst die kräftigen Bewegungen ihres Kindes spüren konnte. Möglicherweise war der lange Fußmarsch durch die Stadt zu anstrengend gewesen.
    Als Hackenholt ziemlich unausgeschlafen und fast anderthalb Stunden später als üblich im Kommissariat erschien, erwarteten die Kollegen ihn im Besprechungsraum. Vor ihnen ausgebreitet lagen sämtliche verfügbaren Tageszeitungen. Jemand war beim Bäcker gewesen, und Wünnenberg hatte Kaffee gekocht. Alles in allem bot sich Hackenholt ein friedvolles Bild – wenn man von der Diskussion absah, die Theo Winter und Saskia Baumann darüber führten, ob Krapfen mit Marillenmarmelade oder Hiffenmark gefüllt sein sollten.
    »Was gibt es Neues?«, eröffnete Hackenholt die Besprechung.
    »Ich weiß, warum niemand in der Kleingartenkolonie Schüsse gehört hat«, ergriff Mur umgehend das Wort. »Wir haben Gummiabrieb an den Geschossen gefunden.«
    »Geschosse im Plural?«
    »Ja, das Klinikum hat uns die drei übergeben, die aus Thorsten Graefs Körper operiert wurden. Eines hat ihm die Leber zerfetzt, ein zweites steckte in der Brust und das dritte drang durch die Augenhöhle in den

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