Hades - Die Welt der Verbannten
New-Bristol eine nette Wohnung, ich habe einen guten Job bei der Zeitung. Damit bin ich zufrieden. Wenn Sie mich brauchen, stehe ich zu Ihrer Verfügung, aber ich glaube kaum, daß das der Fall sein wird. Sergeant Fungruber ist ein guter Mann, auf ihn können Sie sich verlassen.«
»Sie wollen also zurück zu Sidler, zur Zeitung?«
»Ja. Sidler weiß nicht, welche Rolle ich bei den Geschehnissen gespielt habe, die unsere Zukunft so entscheidend beeinflußten, und es ist besser, wenn er es nie erfährt. In ein oder zwei Jahren kann ich Chefredakteur werden, und ich möchte nicht, daß ich es durch Protektion werde. Sie verstehen, Barker …«
»Ich verstehe. Aber betrachten Sie mich als Ihren Freund, der jederzeit für Sie da ist. Wenn Sie Hilfe benötigen …«
»Was ist mit Kims Vater? Bleibt es bei den drei Jahren?« Barker schob Holz in die Flammen.
»Gut, daß Sie mich daran erinnern. Selbstverständlich bleibt es bei der vereinbarten Frist, denn Block hat seine Vorarbeiten noch nicht beendet. Er wird dafür sorgen, daß auch weiterhin fähige Mitarbeiter hierher verschickt werden. Zum Schluß wird er selbst kommen, und er wird eine arbeitsfähige Regierung vorfinden, die er übernehmen kann. Bis dahin besitzt Hades eine Industrie, die sich mit der Erde messen kann. Drei Jahre sind eine lange Zeit.«
»Sie können schon heute zufrieden sein.«
»Sicher, aber eines Tages wird sich unser Verhältnis zur Erde ändern. Wir werden eine zweite Erde sein, und in friedlichem Wettbewerb werden wir uns gegenseitig ergänzen. Bis dahin wird keine Sonnenbombe mehr notwendig sein, um den Frieden durch eine Drohung zu erzwingen. Aber vielleicht ist das auch nur ein Wunschtraum. Doch rechnen müssen wir damit. Und ist es nicht der Fall, brauchen wir erst recht eine selbständige Industrie und Wirtschaft – und eines Tages die eigene Raumfahrt. Dazu wurde der Anfang gemacht. Wir haben die Station.«
»Ist der angekündigte Transport schon eingetroffen?«
Gorm nickte und übernahm die Fortführung des Gesprächs.
»Ausgezeichnete Leute dabei. Jon Block hat gut vorgesorgt. Allerdings hat man sich auch einiger Berufsverbrecher entledigt. Da die Verhältnisse nun anders sind, lassen wir sie gleich in Haft.«
»Sie geben ihnen keine Chance, sich unserer Gemeinschaft einzufügen?«
»Nein. Glauben Sie mir, ich kenne die Menschen. Solche Typen werden immer wieder zu Außenseitern der Gesellschaft, ganz gleich, in welcher sie auch leben. Sie können sich in keine Ordnung einfügen und werden immer wieder dagegen rebellieren – so wie Lui Palatti. Es liegt einfach in ihrer Natur.«
»Trotzdem …«
»Hören Sie, Carter, das müssen Sie schon mir überlassen. Der Transport von der Station nach Hades erfolgte wie immer. In den zwanzig Minuten, die das Boot für den Abstieg benötigte, haben zwei der Kerle eine Frau und einen älteren Mann umgebracht und allen anderen das Geld abgenommen. Glauben Sie jetzt immer noch, daß wir ihnen eine Chance geben sollten? Nach den immer noch gültigen Gesetzen von Hades können sie für diese Tat zum Tode verurteilt werden, aber vielleicht haben sie Glück und erleben noch die neue Gesetzgebung.«
»Sie wollen die Todesstrafe abschaffen?«
»Selbstverständlich, wir können doch der Erde in ihren Gerechtigkeitsbestrebungen nicht nachstehen. Außerdem haben wir ja nun auch so etwas wie einen Strafplaneten, zu dem wir die unerwünschten Elemente schicken werden.«
»Und wohin?« fragte Carter neugierig.
»Zur Erde«, sagte Gorm und lächelte, als er Carters verblüfftes Gesicht sah. »Ja, Sie hörten richtig: Wir schicken unsere Verbrecher zur Erde. Für uns ist die Erde der Strafplanet, wir sind es für die Erde. So entsteht mit der Zeit ein gewisser Austausch, und in zehn oder zwanzig Jahren ist er abgeschlossen.«
»Man wird sich seitens der Erde dagegen wehren und schnell hinter die Absicht kommen.«
»Möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich. Warten wir's ab.« Carter schüttelte den Kopf.
»Wenn ich mir vorstelle, daß Palatti vor ein Gericht gestellt und dazu verurteilt wird, zur Erde zurückkehren zu müssen – es ist absurd!«
»Es klingt nur absurd«, warf Barker ein. »Sie werden sehen.«
Nach dem Essen setzten sich Kim und Carter in ihren Wagen und fuhren nach New-Bristol zurück. Diesmal genossen sie die Fahrt, denn alle Ungewißheit war von ihnen gewichen. Sie wußten, daß sie nun ein Leben lang zusammenbleiben würden, und nicht nur fünf Jahre.
Klaus Sidler
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