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Hades

Hades

Titel: Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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musste über die Musik hinwegschreien, damit ich ihn hörte.
    «Ich will nichts trinken. Ich will bloß wissen, wo ich bin.»
    «Auf jeden Fall nicht im Himmel.» Jake lachte über seinen eigenen Witz. Ich verspürte plötzlich das dringende Bedürfnis, dass er mir zuhörte und erkannte, wie groß meine Angst war.
    «Jake!» Ich packte ihn am Arm. «Mir gefällt es hier nicht. Ich möchte gehen. Bitte bring mich nach Hause.» Meine Berührung schien ihn so zu verblüffen, dass er nicht sofort antworten konnte.
    «Du musst sehr müde sein», sagte er schließlich. «Wie unsensibel von mir, das nicht zu bemerken. Natürlich bringe ich dich nach Hause.» Er gab den beiden kräftigen Männern, die im schwarzen Anzug und mit Sonnenbrillen an der Theke standen (was in dem dämmerigen Club unter der Erde ziemlich absurd wirkte), ein Zeichen.
    «Die junge Dame ist mein Gast. Bringt sie ins Hotel Ambrosia», befahl er ihnen. «Sorgt dafür, dass sie sicher im VIP-Flügel in der obersten Etage ankommt. Sie wird dort erwartet.»
    «Moment, und wohin gehst du?», rief ich.
    Jake sah mich mit seinen glimmenden Augen an und grinste. Er schien es zu genießen, dass ich von ihm abhängig war.
    «Ich habe noch etwas zu erledigen», sagte er. «Aber keine Sorge, die beiden kümmern sich schon um dich.» Er sah die Bodyguards an. «Ihr Leben hängt davon ab.»
    Der leere Gesichtsausdruck der beiden veränderte sich nicht, aber sie nickten kaum merklich. Dann spürte ich mich von starken Muskeln gepackt, die mich aus dem Club führten. Die Tänzer wurden grob zur Seite geschoben.
    Als wir wieder in der unterirdischen Lobby waren, sah ich mich unauffällig um. Das Pride war, wie ich entdeckte, in der katakombenartigen Unterwelt nur einer von vielen Clubs. Aus den finsteren Tiefen drang dumpfes Gestöhne herauf, und gleich darauf wurde ein zersaustes Mädchen mit tränenüberströmtem Gesicht von zwei Männern in Anzügen eine Treppe hinaufgeschleift. Sie trug ein Spitzenkorsett und ein Jeanshemd, das kaum ihre Schenkel bedeckte. Verzweifelt versuchte sie sich aus dem eisernen Griff zu befreien. Als sich unsere Blicke trafen, sah ich Panik in ihren Augen und machte instinktiv einen Schritt auf sie zu. Doch die Wachen rissen mich sofort zurück.
    Ich schüttelte die beiden ab und versuchte möglichst beiläufig zu klingen, so wie die Mädchen in der Schule. «Was ist los mit ihr?» Ich vermutete, dass sie mir keine Auskunft geben würden, wenn ich besorgt klang.
    «Wie es aussieht, hat sie das Glück verlassen», antwortete einer der Bodyguards, während der andere jemandem per Handy unseren Standort mitteilte.
    «Glück?», wiederholte ich.
    «In der Spielbank», antwortete er, als wäre das völlig offensichtlich.
    «Wo bringt man sie hin?»
    Dieses Mal schüttelte er ungläubig den Kopf, als könnte er nicht fassen, was ich alles nicht wusste. Dann geleitete er mich zu einer Art Stretchlimousine mit getönten Scheiben, die vor dem Club vorgefahren war. Es war eigenartig, hier ein Auto zu sehen, aber ich erinnerte mich, dass die unterirdischen Tunnel so breit waren, dass zwei Wagen nebeneinander herfahren konnten. Eine der hinteren Türen wurde für mich geöffnet, und die beiden Wachen setzten sich so neben mich, dass ich zwischen ihren massigen Leibern eingequetscht war. Eine Wolke aus Zigarrenrauch umgab sie.
    Eine Weile fuhren wir durch den kurvigen Tunnel, der sich ins Nichts zu winden schien. Herumwandernde Partygänger drückten sich an die Seiten, wenn sie uns kommen sahen. Als wir uns nach und nach von dem Clubviertel entfernten, fiel mir auf, dass all diese Leute so gar nicht in Feierlaune zu sein schienen. Vielmehr war es, als trieben sie ziellos dahin, mit starrem, ausdruckslosem Blick wie lebende Tote. Bei näherem Hinsehen erkannte ich, dass ihre Haut beinahe grau war.
    Endlich, am Ende eines steilen Tunnels, erreichten wir ein hohes Gebäude, das einmal weiß gewesen sein musste, aber mittlerweile so verblichen war, dass es so gelb schimmerte wie Pergament. Es war mindestens zwanzig Stockwerke hoch und von klassischer Eleganz, mit Stuck über den Fenstern.
    Durch eine Drehtür gelangten wir in eine große, üppige Lobby. Das Hotel war so gebaut, dass man von allen Zimmern in allen Stockwerken aus auf die Lobby heruntersehen konnte, wodurch man das Gefühl hatte, nach oben in eine Art Labyrinth zu blicken. Das Prunkstück der Lobby war ein Vorhang aus winzigen Lichterketten von der Decke bis zum Boden, die einen

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