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Hades

Hades

Titel: Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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lösen, als würde ich unter einen Zauber fallen. Auf einmal war es, als bekäme ich einen Schlag mit dem Sandsack in den Magen. Als ich ausatmete, schwebte mein Atem wie eine goldene Kugel wenige Zentimeter über dem Wasser vor mir her. In der Kugel tobten Tausende von weißen Lichtern wie wild durcheinander. Ich sah zu, wie sie sich langsam senkte und schließlich verschwand.
    «Keine Angst», flüsterte Tucker. «Der See liest deine Erinnerungen. So weiß er, wohin er dich bringen muss.»
    Für einen Moment geschah nichts, und alles, was zu hören war, war unser Atem. Tucker sagte etwas zu mir, aber seine Stimme klang dumpf, und schließlich konnte ich ihn überhaupt nicht mehr hören. Stattdessen sah ich von oben auf ihn herunter. Der See und die Umgebung begannen sich aufzulösen, obwohl ich wusste, dass ich immer noch körperlich dort war.
    Panik stieg in mir auf, als sich unter mir ein anderer Ort bildete. Zuerst war er gepixelt, als ob jemand erfolglos versucht hätte, ein Foto zu vergrößern. Aber als die Konturen klarer wurden, schwand meine Angst.
    Stattdessen übermannten mich meine Gefühle so sehr, dass ich mir vorkam, als ob ich kopfüber in einen Strudel stolperte. Ich war auf dem Weg nach Hause.

[zur Inhaltsübersicht]
    11
    Wiedervereinigung
    Die Küche in der Byron Street sah genauso aus, wie ich sie in Erinnerung hatte: groß und luftig mit Rundblick über das schäumende Meer. Ich stand mitten im Raum. Obwohl alle meine Sinne zu funktionieren schienen, wusste ich, dass ich nur ein Zaungast war. Ich konnte mich zwar frei durch den Raum bewegen, war aber nicht wirklich dort. Es kam mir vor, als würde ich einen Film aus einer Perspektive innerhalb des Bildschirms sehen.
    Es war früh am Morgen. Ich hörte die Vögel singen und das Summen des Kessels auf dem Herd. Die Terrassentüren standen offen, und bei Dolly Henderson nebenan wurde der Rasen gemäht. Eine Etagere mit Muffins stand auf der Ablage, und ich erinnerte mich, dass Ivy sie kurz vor meinem Verschwinden gebacken hatte. Niemand hatte sie gegessen, und inzwischen sahen sie nicht mehr frisch aus. Gemeinsam mit einer Vase welkender Kornblumen auf dem Tisch erinnerten sie daran, welch fröhlicher Ort die Küche noch vor wenigen Tagen gewesen war.
    Im nächsten Moment erwachte die Szene zum Leben. Nur ein paar Meter von mir entfernt, am Küchentisch, saß Xavier, den Kopf in die Hände gestützt. Seine Haltung versetzte mich sofort in Aufregung, denn noch nie zuvor hatte ich ihn so gebrochen gesehen. Er trug ein vertrautes graues T-Shirt und eine Trainingshose, und sein Dreitagebart ließ vermuten, dass er schon länger nicht geschlafen hatte.
    Ich versuchte, näher an ihn heranzukommen, und stellte begeistert fest, dass das gar kein Problem war. Die Nähe zu ihm ließ mich schwindeln. Ich wünschte mir so sehr, die Hand auszustrecken und ihn zu berühren, aber ich konnte nicht. Mein geisterhaftes Ich hatte keinen festen Körper, und meine Hand glitt einfach durch ihn hindurch. Xavier hatte sich verändert. Ich konnte sein Gesicht nicht genau sehen, aber seine Schultern und die Muskeln an seinen Armen waren angespannt. Ich spürte die Trauer, die über dem Raum hing.
    Der Geruch nach Freesien wehte an mir vorbei, ein Duft, der mir nur allzu vertraut war. Meine Schwester sah Xavier von der Türschwelle aus besorgt an. Sie wirkte genauso engelhaft und gefasst wie immer, aber die untypische Falte auf der Stirn verriet sie. Es war unübersehbar, dass sie vor Sorgen fast verging.
    «Kann ich etwas für dich tun?», fragte sie Xavier sanft.
    «Nein danke», antwortete er. Er klang abwesend, als ob er in Gedanken weit weg war, und hob kaum den Kopf.
    «Gabriel ist noch einmal zu diesem alten Haus von den Knox gefahren», fuhr Ivy fort. «Er hofft, dort doch noch irgendwelche Hinweise zu finden.»
    Xavier war viel zu sehr in seinen eigenen Gedanken gefangen, um zu antworten. Ivy stellte sich neben ihn und legte ihm sanft die Hand auf den Arm. Sie ahnte, wie er sich fühlte. Bei ihrer Berührung zuckte er zusammen, er wollte keinen Trost.
    «Wir dürfen den Mut nicht verlieren. Wir werden sie finden.»
    Xavier hob den Kopf und sah sie an. Wie blass er war! Und diese Ringe unter den blauen Augen, die zusammengepressten Lippen … Er wirkte verloren, vollkommen von Trauer zerfressen. Wie sehnte ich mich danach, ihn zu berühren, sein Gesicht in meine Hände zu nehmen, ihm zu sagen, dass alles in Ordnung war – dass ich gefangen war und einsam und dass

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