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Hämatom

Hämatom

Titel: Hämatom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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Augen auf, wie kurze
Explosionen eines Feuerwerks. Ich stand dem Mann gegenüber, ich konnte die
Bilder nicht länger verdrängen.
    Ich sitze mit Danner auf dem Sofa, meine dicken Wollsocken
neben seinen nackten Beinen auf der Granitplatte des Couchtisches. Ich kann
sein Aftershave riechen und die kalte Pizza in dem Karton auf meinem Schoß.
Danner nimmt sich noch ein Stück, bevor er aufsteht und sich anzieht.
    Â»Ich muss noch mal los«, sagt er, faltet das
Pizzastück zusammen, stopft es sich in den Mund und steckt seine Digitalkamera
in die Jackentasche seines Parkas.
    Digitalkamera?
    Er zieht sich eine Wollmütze über die Glatze, wirft
einen Blick in den Spiegel und wischt einen Käserest aus den Bartstoppeln an
seinem ewig unrasierten Kinn.
    Das ist der Moment, in dem ich stutze.
    Als mein Gehirn schaltet, ist Danner schon zur Tür
raus: Er steckt die Kamera ein und sieht in den Spiegel?
    Er ist kein Hobbyfotograf, der im Park Landschaften
mit Enten aufnimmt.Was hat er vor? Haben wir einen neuen Fall, von dem er mir
nichts gesagt hat? Irgendwas, in das ich meine Nase nicht reinstecken soll?
    Nun, ich stecke meine Nase aus Prinzip überall
hinein.
    Zwei Sekunden später habe ich schon meine
Turnschuhe an, schlüpfe, während ich die Treppe hinunterspringe, in meine Jacke
und höre draußen den lauten Motor von Danners altem Auto. Ohne groß
nachzudenken, renne ich in Molles Kneipe, schnappe mir den Schlüssel für den VW
Bulli des Wirts vom Haken und starte Sekunden später den Wagen.
    Weil Danners Schrottschüssel bei der Kälte zwei bis
sechs Versuche braucht, bis der Motor endlich läuft, kann ich ihn noch um die
nächste Ecke biegen sehen.
    Erst ein paar Straßen weiter meldet sich die Stimme
meines Gewissens. Was mache ich hier? Bin ich total irre, dass ich ihm hinterherspioniere?
    Doch die Stimme meines Gewissens hat noch nie
besonders laut gesprochen.
    Zu meinem Erstaunen lande ich Minuten später auf
dem Parkplatz eines Nobelhotels. Danner hat seine Schrottschüssel auf dem
Behindertenparkplatz direkt vor dem Eingang stehen lassen. Trotz der winterlich
früh hereinbrechenden Dunkelheit kann ich beobachten, wie er die breite Treppe
zum Eingang hinaufgeht, denn die Stufen werden von Lichtleisten beleuchtet.
    Mein Verdacht bestätigt sich.
    Einen solchen Edelschuppen betritt Danner nur im
äußersten Notfall, wenn es beruflich unvermeidlich ist. Er hat also einen neuen
Fall. Und er hat mir nichts davon gesagt. Weil er mal wieder meint, dass es zu
gefährlich für mich ist. Arschloch!
    Kaum ist Danner im Gebäude verschwunden, springe
ich aus dem Auto.
    Es ist Mitte November, winterlich kalt und ich
ziehe den Reißverschluss meiner alten Cordjacke bis unters Kinn zu.
    Im Erdgeschoss befindet sich ein Restaurant,
Menschen essen hinter hohen Scheiben. Vielleicht kann ich mit einem Blick
hinein verfolgen, was er macht. Ich gehe nicht über die beleuchtete Treppe,
sondern klettere über die niedrige Mauer auf die Terrasse. Der Stein ist
vermoost und glitschig. Ich halte Abstand zu den beleuchteten Fenstern, bleibe
im Schatten der mit Plastikfolien abgedeckten Gartenmöbel, sodass man mich von
innen nicht sieht.
    Im warmen Licht der Kronleuchter sitzen sich
aufgebrezelte Frauen und glatt rasierte Männer gegenüber. Ein schwarz gekleideter
Kellner schenkt gekühlten Wein ein und die Gerichte werden unter silbernen
Warmhaltehauben serviert.
    Vorsichtig schleiche ich an den Fenstern entlang –
bis ich Danner entdecke. Er hat seinen Parka an der Garderobe abgegeben und
sitzt im schwarzen Rollkragenpulli an einem mit Kerzen beleuchteten Tisch –
einer in nussbraunen Kaschmir gehüllten Frau gegenüber. Sie ist in Danners
Alter, zierlich, hübsch, die braunen Haare modisch kurz geschnitten und fransig
ins herzförmige Gesicht geföhnt.
    Ich kenne sie.
    Ich begreife nicht gleich, was ich sehe.
    Ich sehe noch mal hin.
    Kein Zweifel: Danner sitzt da mit Klara, der
Schlampe. Mit der Vizepräsidentin der Bochumer Polizei, der ranghöchsten Frau
im ganzen Polizeibetrieb. Seiner erklärten Erzfeindin!
    Wieso tut er das?
    Er hasst sie. Sie hat seine Karriere bei der
Polizei beendet, hat versucht, ihm ein Verbrechen unterzuschieben. Sie hat die
Hochzeit mit ihm platzen lassen und so seine Beziehungsunfähigkeit verursacht.
Ganz zu schweigen davon, dass sie seine Wohnung durchsuchen, sein Auto
abschleppen und ihn

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