Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)
Rettung garantiert kein nackter, muskulöser, zu allem entschlossener Retter aus dem Nichts auftauchen würde. Da konnte es draußen noch so windig sein. Arnold würde sich ganz bestimmt nicht in die Störtebekerstraße verlaufen.
Doch dann sagte ich mir tröstend, dass wir immerhin Pauline hatten. Sie war gut bewaffnet und im Nahkampf machte ihr keiner so schnell was vor.
Ich war gerade dabei, in angenehme Träume abzudriften, als Annabels entschlossene Stimme mich wieder zurück in die Wirklichkeit riss.
»Lasst uns einen Geist beschwören«, sagte sie.
Mühsam setzte ich mich auf. Draußen heulte der Wind, und die teuflische Mischung aus heißem Rotwein mit Rum und Kandis und noch ein paar anderen Kleinigkeiten zauberte bei mir unversehens eine Vision herbei, in der Arnold hereinspaziert kam, sich vor uns aufbaute und in steiermarkigem Ton Pfüat’di oder etwas ähnlich Cooles sagte.
»Was meinst du genau mit Geist ?«, wollte ich wissen.
»Na, einen Mann. Den gewissen einen.«
Pauline ließ sich neben mir auf die Matratze plumpsen. »Eins muss man dir lassen. Du verlierst niemals deinen Optimismus.«
»Es gibt ihn!«, sagte Annabel mit leidenschaftlicher Stimme. Sie redete noch nuscheliger als vorhin, und dem Pegel ihrer Tasse nach zu urteilen, hatte sie allen Grund dazu.
»Wen gibt es?«, fragte Pauline.
»Den einen, der alles wieder gutmacht! Derjenige, welcher! Einer wie keiner!«
Ihr Enthusiasmus war seltsam ansteckend.
»Der Traummann für eine Traumhochzeit«, sagte ich.
Annabel straffte sich. »Genau! Der Richtige, der alles wieder gutmacht! Den Mann zum Heiraten! Wir müssen nur dran glauben!«
Abermals heulte der Wind und irgendwo klapperte eine Tür. »He, hört ihr ihn kommen?«, meinte Pauline spöttisch grinsend.
Annabel setzte sich kerzengerade auf. Dampf stieg aus dem Punschtopf auf und vernebelte ihr Gesicht. Einen Augenblick lang sah sie aus wie eine Fremde, seltsam erhaben und schön. Sie hob die Arme, und ihr blondes Haar, das ihr in traurigen Zipfeln aus der gestern mühsam fabrizierten Hochzeitsfrisur herabhing, wehte unter einem plötzlichen Windstoß über ihren Rücken.
»Hier zieht’s«, stellte Pauline fest. Sie stemmte sich auf die Füße. »Ich gehe mal nachsehen, ob irgendwo ein Fenster offen ist. Das ist ein Mordssturm da draußen.«
»Nein, bleib hier«, befahl ihr Annabel. »Jetzt ist Zauberzeit!«
Pauline seufzte entnervt, setzte sich aber wieder hin. Ihr Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel, was sie von Annabels alkoholbedingten Anwandlungen hielt, doch anscheinend war sie der Ansicht, ein bisschen Gutmütigkeit könne in Anbetracht so viel geballter psychischer Angeschlagenheit nicht schaden. »Dann zaubert mal schön«, meinte sie spöttisch.
»Wir zaubern alle«, verbesserte Annabel sie. »Wir zaubern uns einen Traummann. Jemand, der mich für die erlittene Schmach entschädigt. Jemand, der dafür sorgt, dass Brittas Traumhochzeit in drei Monaten doch noch stattfindet. Und … ähm, ja auch noch jemanden, der dich heiratet.«
»He, will ich das überhaupt?«, beschwerte Pauline sich.
»Ja, du willst. Und wenn der Richtige da ist, wirst du sehen, dass es gar nicht wehtut!«
Annabel ergriff Paulines und meine Hand und bestand darauf, dass Pauline und ich uns ebenfalls bei der Hand hielten, damit wir alle drei einen geschlossenen Kreis bildeten.
Mit einem Mal wurde der Wind stärker. Pauline blickte besorgt auf. »Meine Güte, das zieht aber jetzt wirklich! Kommt das aus der Küche? Da ist garantiert sperrangelweit das Fenster offen!«
Annabel ließ es nicht zu, dass Pauline aufstand. Sie hielt unsere Hände umklammert, warf den Kopf zurück und gab eine Art Hexen-Singsang von sich. Einmal glaubte ich ein paar Worte zu verstehen, es klang wie Ene-Mene-Muh, und ein anderes Mal sagte sie sehr deutlich Abrakadabra, aber davon abgesehen war der Rest absolutes Kauderwelsch.
Dann ließ sie sich abrupt auf die Matratze zurückfallen. »Das war’s«, murmelte sie.
Pauline hob den Kopf. »Jetzt hat es aufgehört. Hört ihr das? Völlig ruhig! Komisch. Kein Lüftchen mehr.«
»Der Zauber hat gewirkt«, sagte ich grinsend. »Morgen kommt der Traummann, wetten?« Ich streckte mich ebenfalls auf der Matratze aus, zog die Decke über mich und Annabel und schlief auf der Stelle ein.
*
Ich hatte die ganze Nacht über die wüstesten Träume. Mindestens zehnmal erwischte ich Serena Busena abwechselnd mit Thomas und Klaus in der Besenkammer oder im Bett, und immer
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