Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)
entschlossen mit der Schöpfkelle eine ordentliche Ladung Punsch in meine Tasse.
»Dazu kann es aber schnell kommen«, sagte Pauline. »Zuerst die Räumungsklage, dann der Rausschmiss per Gerichtsvollzieher.«
»Bis dahin finden wir was anderes. Was viel Besseres sogar.« Ein anständiger Schluck Punsch, und schon glaubte ich selbst an das, was ich gesagt hatte. Eigentlich lag die richtige Jahreszeit für eine Feuerzangenbowle noch einige Monate in der Zukunft – oder in der Vergangenheit, je nach Betrachtungsweise –, aber das focht mich im Moment nicht an. Nichts eignet sich so gut zum Verschleiern knallharter Realitäten wie gut erhitzter, reichlich gezuckerter Alkohol.
Fakt war, dass all unsere Pläne über den Haufen geworfen waren. Nichts von dem, was wir uns vorgenommen hatten, würde jetzt noch funktionieren. Ein großer Teil unseres Mobiliars stand verpackt und abgebaut entweder in der Diele, in der Garage oder auf dem Vorplatz des Hauses herum. Abgesehen von den Matratzen, die wir ins Wohnzimmer gezerrt und vor die Heizung gelegt hatten. Jetzt hockten wir im Halbkreis vor dem dampfenden Punschtopf und überlegten, wie es weitergehen sollte.
Ursprünglich war vorgesehen gewesen, dass wir an diesem Tag alle hier auszogen. Das Haus hatte ursprünglich Paulines Oma gehört. Die war seit Jahren im Altenheim und ein extremer Pflegefall, und nach Aufzehrung aller Barmittel hatte sich das Sozialamt gezwungen gesehen, das Haus zu verkaufen. Sie hätten es auch vermieten können, zum Beispiel an uns drei, aber die Summe, die uns als Quadratmeterpreis genannt worden war, hätten wir selbst bei rosigsten finanziellen Zukunftsaussichten auch zu dritt nicht stemmen können. Geschweige denn zu zweit, denn Annabel wäre so oder so ausgezogen, da sie mit Klaus zusammenleben wollte. Also wurde die Villa verkauft. Praktischerweise an eine Anwaltskanzlei, die keine Minute gezögert hatte, Eigenbedarf zur gewerblichen Nutzung anzumelden und auf die Räumung zu drängen. Bei Ausschöpfung aller juristischen Mittel hätten wir noch eine Weile hier wohnen bleiben können, aber im Gegenzug einen Haufen Nutzungsentschädigung zahlen müssen.
Für uns drei stellte sich diese Frage dann aber gar nicht erst, und zwar schon deswegen nicht, weil Annabel sowieso Klaus heiraten und gleich darauf zu ihm ziehen wollte. Vom Timing her passte alles wunderbar zusammen. Das große Geschäfts- und Wohnhaus in der Innenstadt war rechtzeitig fertig geworden. Klaus hatte seinen Metzgerladen im Erdgeschoss vor sechs Wochen neu eröffnet, und vor genau drei Wochen hatte ich mit einer tollen Party ebenfalls Geschäftseröffnung gefeiert, und zwar im ersten Stock desselben Gebäudes, wo ich mir ein wirklich schönes Büro eingerichtet hatte. Und seit letzter Woche waren auch die übrigen Wohnungen bezugsfertig. Eine tolle Maisonettewohnung für Klaus und Annabel und ein geräumiges Apartment für Pauline. Ursprünglich hatte der Umzug erst nach der Hochzeitsreise stattfinden sollen, doch die Anwaltskanzlei hatte Druck gemacht, weil man vor der Geschäftseröffnung noch renovieren wollte.
Wäre nur alles wie geplant verlaufen, hätte es nicht das geringste Problem gegeben. Wir drei hätten das Haus von Paulines Oma rechtzeitig räumen können.
Ich selbst hatte vorgehabt, mich kurzfristig bei Thomas einzuquartieren, von daher hätte alles wirklich prima gepasst. Seine Wohnung war zwar nicht besonders groß, aber für eine Weile wäre es gegangen. Nach der Hochzeit hätten wir uns natürlich was Größeres gesucht. Spätestens dann, wenn feststand, wo er beruflich mal landen würde. Oder sobald wir eine richtige Familie waren, mit Kindern und allem Drum und Dran.
Bei diesen Gedanken kamen mir wieder die Tränen. Laut aufschluchzend stellte ich meine Punschtasse auf dem Parkettboden ab und warf mich rücklings auf die Matratze.
»Was ist denn jetzt schon wieder los?«, rief Pauline bestürzt aus.
»Das fragst du noch?«, rief Annabel.
»Ich dachte, sie wäre nach all den Stunden endlich fertig mit dem Geflenne! Du hast doch auch wieder damit aufgehört, oder etwa nicht?«
»Du hast ja keine Ahnung! Die Trauer kommt in Wellen!« Wie zum Beweis fing Annabel ebenfalls an zu weinen.
»Mein Gott«, sagte Pauline entnervt. »Seid doch froh, dass ihr die Typen los seid! Weg mit Schaden, sage ich da nur!«
Die Hand über die Augen gelegt, stieß ich schluchzend hervor: »Es wäre eine Wahnsinnshochzeit geworden! Sie hätten bestimmt einen Artikel
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