Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)
kleine Besteckauswahl und diverses edles Tafeldekor nebst Servietten abgestaubt hatte. Alles zweite Wahl, aber das sah auf den Fotos ja keiner.
Nachdem ich mit den Ringen fertig war, packte ich alles wieder zusammen, um ins Haus zurückzumarschieren und in der Küche oder einem anderen ungestörten Fleckchen ein Modell für eine Tischeindeckung zu knipsen. Danach würde ich mich daran machen, ein paar Märchenmotive ins Bild zu setzen, wofür ich mir jedoch zuerst in der Stadt neues Material besorgen musste.
»Einen schönen guten«, sagte eine nuschelige Stimme schräg hinter mir.
Hermann Habermann stand am Gartenzaun, einen Bunsenbrenner in den Händen. Zum Schutz seiner Augen hatte er sich eine Taucherbrille über den schwitzenden Kopf gezerrt, die momentan hoch oben auf seiner Stirn klebte. Er trug Shorts von undefinierbarer Farbe und Badelatschen, die so aussahen, als würden sie im nächsten Augenblick der totalen Verrottung anheim fallen.
Vor ihm stand auf einer Art Arbeitstisch eine Reihe dubioser Gefäße, von denen manche wie Reagenzgläser, andere wie Vorratsbehältnisse aus dem Chemielabor aussahen. Ein schwefeliger Gestank wehte zu mir herüber, eine Art Atemhauch aus der Hölle.
»Guten Morgen«, erwiderte ich seinen Gruß.
In ein paar Metern Entfernung lag Dorothee im Liegestuhl. Sie war fünfundvierzig und mit ihren knapp einsfünfzig etwa so breit wie hoch. Wie immer trug sie einen Sarong, der ihre Schultern und ihre fetten Arme frei ließ, obwohl wir kaum zwanzig Grad hatten. Genau wie Hermann war sie absolut kälteresistent. Sie legte sich in die Sonne, wenn andere Leute noch im Auto die Heizung anmachten.
Mit der Grazie eines Elefanten wuchtete sie ihre schätzungsweise hundert Kilo aus dem Liegestuhl hoch und strich sich die feuerroten Haare aus dem Gesicht. Sie sah genauso ölig aus wie Hermann, nur dass es bei ihr von der Sonnenlotion kam und sie daher etwas sauberer wirkte als ihr Mann. Dafür war sie vermutlich bereits um diese Tageszeit abgefüllt bis zur Krempe ihres Sonnenhuts, den sie gerade aus dem Gras klaubte und sich aufs Haupt drückte.
»Hi, Britta.«
Anders als Hermann hatte sie mich von Anfang an geduzt, mit der Begründung, dass wir ja ungefähr im selben Alter wären und überhaupt.
»Hi, Dorothee. Wie geht’s?«
»Gut«, sagte sie und rülpste. »Ich muss nur etwas aufpassen, wenn ich hier draußen sitze. Rothaarige kriegen schnell Sonnenbrand.«
Ihre Stimme klang ganz normal, obwohl die Wodkaflasche, die unterm Liegestuhl lag, nur noch halb voll war. Pauline hatte mal erzählt, dass richtig eingefleischte Alkoholiker nicht wirklich betrunken werden könnten, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass sie zwangsläufig anfingen zu lallen oder zu torkeln.
»Die saufen einfach, bis sie ihren Pegel haben«, hatte sie zu dem Thema gemeint, »dann sind sie normal. Dann saufen sie weiter, bis sie zu sind, dann verlieren sie das Bewusstsein.«
Ich hatte keine Ahnung, ob das zutraf, aber was Dorothee Habermann anging, schien es zu stimmen. Egal, wie voll oder wie leer die Flasche war, die sie mit sich herumtrug – man merkte ihr nie etwas an.
»Wie war die Hochzeit?«, wollte sie wissen.
»Toll«, sagte ich wahrheitsgemäß.
»Und die Feier hinterher?«
»Die war im Goldenen Kalb .«
»Wieso ist Annabel nicht zu ihrem Schnucki gezogen? Hab sie heute früh aus dem Haus kommen sehen, genau wie immer. Und wolltest du nicht auch zu deinem Schnucki ziehen? Wolltet ihr nicht überhaupt alle ausziehen?«
»Ach, das verschiebt sich noch ein bisschen.« Stirnrunzelnd betrachtete ich die Wodkaflasche. Anscheinend brachte das Zeug Dorothees Verstand eher auf Touren als ihn zu benebeln.
»Süßer Typ, dem jetzt das Haus hier gehört«, meinte Dorothee.
»Ich muss dann los.« Ich setzte mich in Bewegung.
»Nette Ballerei hier vor ein paar Tagen«, sagte Dorothee. »Hätte um ein Haar direkt eins auf die Mütze gekriegt. Und der neue Eigentümer auch.«
Widerwillig blieb ich stehen.
»Einer von den Querschlägern steckt noch vorne im Zaunpfosten«, bestätigte Hermann. »Hätte fast Ihrem Schnucki den Kopf weggepustet. Den Reifen hat’s weggesprengt wie bei ’ner Rohrbombe, sah stark aus.« Bei den letzten drei Worten spritzte mit jedem S eine Fontäne von Spucke aus seiner Zahnlücke hervor. »Der Anwalt ist sofort wieder abgehauen, als er das mitgekriegt hat.« Hermann grinste mich fröhlich an. »Und Rudi ist auch da, gell?«
Ich starrte ihn an. »Kennen Sie meinen Vater?
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