Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)
nichts«, sagte Annabel. »Hast du dich schon mal erkundigt, wie viel Miete die Leute heutzutage für ein Haus oder eine große Wohnung wollen? Mindestens einen Tausender, kalt. Und da ist noch nicht mal die Courtage dabei, wenn es über Makler geht. Und Kaution muss auch gezahlt werden. Meist muss auch was übernommen oder renoviert werden. Das geht gleich tierisch ins Geld.«
»Aber irgendwann müssen wir doch sowieso hier raus!«
»Klar. Aber nicht sofort. Je länger wir hier bleiben, umso mehr Geld sparen wir. Einen Monat hier zu wohnen spart uns einen Tausender, mindestens. Zwei Monate sind zwei, drei sind drei. Überleg mal, was man sich dafür alles kaufen kann! Das ist doch ein ganz einfaches Rechenexempel. Hat Pauline auch gesagt.«
»Das kann ich mir lebhaft vorstellen«, sagte ich ärgerlich. Paulines Interesse am Fortbestand unserer derzeitigen Wohnsituation hatte mit Rechnen ungefähr so viel zu tun wie Wurst mit Käse. Natürlich fand sie es toll, dass mein Vater auf einmal hier wohnte, nur durch eine Wand von ihr getrennt. Wahrscheinlich arbeitete sie schon eifrig an Plänen, mehr daraus zu machen.
Meine Güte, der Mann war ein notorischer Traumtänzer und zu allem Überfluss fast dreiundzwanzig Jahre älter als sie! Und er hatte nicht mal die übliche Sugardaddy-Rechtfertigung, reich und erfolgreich zu sein!
Na schön, für einen Mann von knapp fünfzig Jahren war er gut in Schuss. Er hielt sich durch Joggen und Tennisspielen in Form, achtete auf seine Linie und hatte noch alle Haare und die meisten seiner Zähne. Aber er war mein Vater!
»Außerdem ist Sven einfach toll«, sagte Annabel trotzig. »Wenn einem das Schicksal schon so einen Reserve-Traummann ins Haus schickt, sollte man ihn nicht einfach links liegen lassen!«
Ich schluckte. Diesen Aspekt der ganzen Angelegenheit hatte ich völlig aus den Augen verloren. Klar, dass ich angesichts dessen nicht einfach von ihr verlangen konnte, Knall auf Fall auszuziehen, wo sie doch hier an Ort und Stelle die beste Gelegenheit hatte, dem Traummann näher zu kommen. Im Grunde war es ähnlich wie bei Pauline.
Fazit: In diesem Haus gab es zwei Männer, die meine besten Freundinnen toll fanden. Also war’s wohl erst mal Essig mit dem Auszug.
Die finanzielle Seite kam noch erschwerend hinzu. Annabel hatte Recht, eine neue Wohnung zu mieten, würde wesentlich mehr kosten, als ich mir in Anbetracht meiner neuesten Ost-West-Verpflichtung leisten konnte.
»Was hast du da für Kram gekauft?«, wollte Annabel wissen.
»Ach, Sachen für ein paar Fotos. Kannst dir ruhig alles anschauen, wahrscheinlich brauche ich noch deine Hilfe.«
»Beim Arrangieren?«, fragte sie eifrig.
»Eigentlich wollte ich dich als Model. Du siehst mit deinen Locken und deinem niedlichen Gesicht genauso aus, wie man sich eine junge Königin vorstellt. Das Motto für die Hochzeit sollen nämlich Märchen sein. Eins davon nehme ich als Aufmacher für mein Exposé. Du verkleidest dich und ich fotografiere dich in der passenden Kulisse.«
Annabel betrachtete die Utensilien, die ich auf dem Boden ausgebreitet hatte. »Welches Märchen soll das denn sein?«
»Rumpelstilzchen.«
»Ach, ist das nicht die Geschichte, in der die Tochter vom Müller Stroh zu Gold spinnen soll?«
Ich seufzte zustimmend und versuchte daran zu glauben, dass etwaige Ähnlichkeiten zwischen lebenden Personen und frei erfundenen Märchenfiguren rein zufällig und nicht beabsichtigt waren.
*
Weil der Krach im Haus kein Ende nahm, beschlossen wir, die Fotosession auf den nächsten Tag zu verschieben und stattdessen etwas für unsere Schönheit zu tun. Das hatte sich in Phasen tiefer Niedergeschlagenheit schon immer als besonders effektives Trostpflaster erwiesen. Eine Gesichtsmaske, hübsch lackierte Fingernägel, ein gekonntes Make-up und frisch gestyltes Haar waren fast so gut wie ein Gang zum Therapeuten und nicht annähernd so teuer. Und man hatte dabei den Vorteil, dass man sich hinterher nicht nur besser fühlte, sondern auch viel besser aussah.
Ich zog mich bis auf die Unterwäsche aus, epilierte meine Beine und lackierte mir die Fußnägel. Der Sommer rückte näher und damit die strumpflose Zeit, in der frau auch gern mal mit Rock und Flip-Flops loszog. Es konnte praktisch jeden Tag schon richtig warm werden, und es schadete nichts, auf diese Eventualität vorbereitet zu sein. Anschließend drehten Annabel und ich uns gegenseitig Papilloten ins Haar. Wenn man nur die Ansätze damit aufwickelte und
Weitere Kostenlose Bücher