Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)
gelaufen, ich hatte es nur die ganze Zeit nicht gemerkt. Kein Mann würde mich je heiraten wollen. Vernichtet hob ich den Kopf und schaute in den Innenspiegel. Direkt ins Gesicht einer Niete.
*
Ich war mit den Nerven runter, aber nicht so schlimm wie letzten Samstag. Immerhin das konnte ich mir zugute halten: Ich war nicht mehr in Trauer versunken. Das, was ich fühlte, war eher eine Mischung aus Wut, Bedauern und schlechtem Gewissen, wobei ich unmöglich sagen konnte, auf welche Person sich mehr von diesen Gefühlen konzentrierte – auf Thomas oder auf mich selbst.
Immerhin war ich nicht so neben der Spur, dass ich es nicht fertig gebracht hätte, meine restlichen Besorgungen zu erledigen. Ich fuhr bei einem Bauernhof vorbei und ergatterte dort einen Sack Stroh. Den bekam ich sogar umsonst, indem ich der Frau des Bauern versprach, sie auf meiner Website in die Liste meiner offiziellen Firmensponsoren aufzunehmen.
Als ich anschließend nach Hause kam, hatte ich das dringende Bedürfnis nach einer Tasse stärkenden Kaffees und nach ein bisschen Ruhe. Doch schon in der Diele herrschte das blanke Chaos. Da momentan niemand das Wohnzimmer mit dem angrenzenden Esszimmer betreten konnte, schien sich die gesamte Handwerkermeute im Flur, in der Gästetoilette und der Besenkammer zusammenzuballen. Überall wurde mit infernalischem Lärm gebohrt, geschliffen, gesägt und gehämmert. Auf der Treppe arbeiteten ebenfalls ein paar Leute. Einer schliff das Geländer ab, ein weiterer riss den alten Teppichbelag von den Stufen und ein Dritter schmirgelte an den Fußleisten herum.
Ich quetschte mich höflich grüßend zwischen zwei Männern hindurch und ging in die Küche. Was sich gleich darauf als schwerer Fehler herausstellte, denn dort saßen mein Vater und die beiden Russen.
»Hallo, meine Taube«, sagte mein Vater. »Das sind Stanislaw und Oleg.«
Bei Oleg deutete er auf den Dicken, bei Stanislaw auf das Frettchen.
»Du hast uns schon vorgestellt«, sagte ich. Als ich die Küche wieder verlassen wollte, wurde ich von Stan aufgehalten. Wie der Blitz war er plötzlich zwischen mir und der Tür. Er grinste mich frettchenmäßig an und zeigte dabei alle seine Goldzähne.
»Ich würde Wert darauf legen, dass meine Tochter jederzeit gehen kann, wenn sie es wünscht«, sagte mein Vater ärgerlich.
»Kann sie doch.« Olli, der mit übergeschlagenen Beinen am Tisch saß, lachte fröhlich. »Wohin sie will. Ich habe nichts dagegen«
Aber Stan schon, wenn ich den Ausdruck in dessen spitznasigem Gesicht richtig deutete.
»Um wie viel Geld geht es eigentlich genau?«, wollte ich wissen.
»Eine kleine Hypothek könnte die ganze Sache regeln«, sagte Olli. »Aber da muss natürlich der Eigentümer zustimmen. Allein kann ich nicht zum Notar gehen.« Wie es aussah, hatte er inzwischen rausgekriegt, dass ein Grundstück ohne Eintragung im Grundbuch als Pfand nicht viel taugte.
»Wie viel?«, wollte ich wissen.
»Fünfundzwanzigtausend«, sagte Olli. »Und das ist nur der Rest. Wir haben vorher schon ein Vermögen investiert, und wenn wir die fehlende Summe nicht kriegen, platzt das ganze Geschäft. Was noch offen ist, ist der Rest von Rudis Anteil.«
»Wofür brauchst du das Geld?«, wollte ich von meinem Vater wissen.
»Ach, das sind lauter langweilige Einzelheiten«, behauptete er.
»Ist es was Illegales?«, wollte ich wissen.
Stan grinste mich breit an und fummelte mit der rechten Hand in der Hosentasche herum, und ich fragte mich, ob er gleich sein Messer ziehen würde. Wieso hatte ich eigentlich überhaupt so eine überflüssige Frage gestellt? Den Kerlen sah man doch an, dass sie höchstens einen Schritt vom Knast entfernt waren.
Olli schien das anders zu sehen. Er richtete sich entrüstet auf. »Was denken Sie denn von uns? Wir wollen ein ehrliches Geschäft mit einem ehrlichen Investor machen! Mit einer Gewinnausschüttung von dreihundert Prozent! Und das wäre nur der Anfang!«
Na toll. Zu dämlich, dass dreihundert Prozent von Null immer noch Null waren.
»Pacta sunt servanda«, sagte Olli. Ob er irgendwo eine juristische Vorbildung genossen hatte? Nein, unmöglich, denn dann hätte er gewusst, dass Erpressung strafbar war.
»So ist das nun mal im Geschäftsleben«, fuhr er fort. »Wir können es nicht leiden, wenn unsere Partner uns hängen lassen. Da werden wir echt sauer.« Er stand auf, verschränkte die Hände und ließ dabei bedrohlich die Fingerknöchel knacken. »Zu blöd, dass es so lange dauert, bis
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