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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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sie zu sich heran, legte seine Hände an ihre Wangen.
    »Du bist wunderbar«, flüsterte sie.
    Ein letzter Kuss. Sie brachten beide ihr Haar wieder in Ordnung, da klopfte es auch schon an der Wohnungstür.
    Als Stefanie Feuerstake die Wohnung zwei Stunden später verließ, tat Sebastian vom Lachen der Bauch weh. Sie war Eventmanagerin, eine dieser quirligen Animateurinnen,
die bei der Neueröffnung eines Autohauses oder der 100-Jahr-Feier eines Dosenfleischherstellers die Menschen auf Trab brachten. Der Beruf passte zu ihr! Ohne Mühe konnte Sebastian sich vorstellen, wie Stefanie einen Saal voller konservativer Investmentbanker dazu brachte, auf den Tischen zu tanzen.
    Wenige Minuten nach ihr verließ auch er die Wohnung. Es war spät geworden. An der Haustür nahm er Saskia in die Arme.
    »Wann sehen wir uns wieder?«, fragte sie.
    Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »In einer Stunde?«
    Sie lächelte. »Viel länger halte ich es auch nicht aus.«
    »Ich weiß noch nicht, wie der Tag morgen aussieht. Ich rufe dich an, ja?«
    »Bekomme ich noch mal Reitunterricht von dir?«
    »So viel du willst.«
    Ein letzter Kuss, dann machte er sich auf den Weg.

Freitag
    Hinter dem dunstig-weißen Schleier aufsteigender Feuchtigkeit verborgen schimmerte das dunkle Grün der Tannenwälder. Milchiges Sonnenlicht suchte sich zaghaft seinen Weg durch die hohe, wie ein Vlies über dem Himmel ausgebreitete Wolkendecke. Es war kühler als an den vergangenen Tagen; vorerst schien das Gewitter den Sommer vertrieben zu haben. Nachdem Sebastian Falco gesattelt und ihm das Zaumzeug angelegt hatte, führte er ihn vom Stall zwischen den Gattern hindurch ans Ende der eingezäunten Koppeln. Dort angekommen atmete er tief ein. Die Luft schmeckte nach feuchter Erde und feuchtem Gras. Vom See her ertönte gedämpft der Ruf eines Haubentauchers.
    Dieser lang gezogene Ton war das einzige Geräusch in der frühmorgendlichen Stille. Hier oben, weitab des Dorfes und der hektischen Stadt, erwachte der Tag nur sehr langsam, und mitunter kam es Sebastian so vor, als befände sich die Zeit hier in einem ständigen Dornröschenschlaf. Dabei wusste er nur zu gut, dass vier Kilometer bergab eine andere Welt morgens mit Lärm erwachte, der bis spät in den Abend nicht mehr abriss. Mit der Stille verhielt es sich manchmal seltsam. Sie konnte die Seele streicheln und beruhigen, sie konnte aber auch ängstigen, sogar Panik auslösen, aber immer würde er sie dem Lärm vorziehen.
    Bevor Sebastian aufsaß, ließ er seinen Blick über das ausladende Haus mit seinen Sprossenfenstern und dem
tief heruntergezogenen Dach gleiten. Hinter dem Haus ging ein leichtes Rauschen durch die Blätter der alten Eichen. Die silbrige Unterseite des Laubes schien im fahlen Morgenlicht zu glitzern.
    Merkwürdig! Irgendetwas an diesem Anblick störte Sebastian. So, als passte etwas nicht in das Bild, ohne dass er genau sagen konnte, was es war. Eine Ahnung, ein unbestimmtes Gefühl …
    Er schüttelte den Kopf und schwang sich in den Sattel. Falcos Nüstern vibrierten, verspielt tänzelte er zur Seite. Die Freude über den Ausritt war dem Wallach deutlich anzumerken. Bei Sebastian war es anders, denn er ritt hinaus, um nach Taifun zu suchen. Mehr als einen Tag und eine Nacht war sein Hund mittlerweile fort, fort von seinem Rudel, von denen, die ihm Futter gaben. Dafür konnte es nur eine schlimme Begründung geben. Sebastian erwartete nicht wirklich, ihn zu finden, aber er musste nach ihm suchen, wenigstens das.
    In gemächlichem Trab führte er Falco am Waldrand entlang. Dabei verzichtete er auf Pfeifen und Rufen; wenn Taifun ihn hätte hören können, wäre er längst zurückgekehrt. Weder er noch Edgar konnten sich vorstellen, was einem ausgebildeten Schäferhundrüden in diesen Wäldern gefährlich werden konnte. Hier gab es nur Rotwild, Hasen, Eichhörnchen und Füchse, ganz selten Schwarzwild. Dabei lag es auf der Hand, doch nur Anna hatte es zur Sprache gebracht: ein Mensch! Ein Mensch konnte einem Hund gefährlich werden, konnte ihn davon abhalten, nach Hause zurückzukehren. Und hatte er selbst in der Gewitternacht nicht etwas gespürt? Etwas Unbeschreibliches? Taifun hatte verrücktgespielt und war wütend in die Nacht davongeprescht. Das Gewitter war nicht der Grund gewesen, und
das Gewitter war auch nicht die Ursache dafür gewesen, dass er selbst sich vor Angst fast in die Hosen geschissen hätte. Nein, da war noch etwas anderes gewesen.
    Aber was?
    Sie erreichten

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