Haertetest
langweiligsten Kinofilmen und den spannendsten Haushaltstipps. Dabei tickten Mütter doch ganz anders. Wir waren doch auch ganz normale Menschen – nur eben mit Kindern!
Ich fing an, mit dem Rasierer schmale Streifen in den Schaum zu ziehen. Büschelweise mussten hier Haare entsorgt werden, und ich ließ dazu das Wasser im Waschbecken laufen. Wenn ich Jessica mit ihren eigenen Waffen schlagen wollte, musste ich einiges auffahren. Zehn Kilo abnehmen, um wie früher in Kleidergröße achtunddreißig zu passen, das konnte ich mir wohl abschminken. Ich war so, wie ich war, und ich würde keine Hauruckdiät mehr machen.
Sport könnte vielleicht etwas helfen, damit ich mich besser fühlte. Ich hatte noch einen Gutschein für ein Fitnessstudio hier bei uns im Ort, den ich aufgrund einer Kolumne bekommen hatte: Weg mit der Mutterrolle! (gemeint war natürlich nur die olle Rolle am Bauch).
Da schrieb ich den ganzen Tag davon, dass Mütter sich auch um sich kümmern sollten, ihr Selbstwertgefühl polieren – und was tat ich? Fiel meistens um 20 Uhr ins Bett und verpasste damit sogar die Viertel-nach-acht-Filme. Sie sind Mutter? Na dann, gute Nacht.
Ungezählte Male hatte ich bei Fit for life Termine zum Probetraining vereinbart. Und genauso oft hatte ich doch in letzter Sekunde wieder abgesagt. Sport war einfach zu anstrengend.
Wann war ich das letzte Mal shoppen gewesen? Ich wusste es nicht mal mehr. Himmel, was war aus mir geworden? Ich verdiente mein eigenes Geld und ging nicht mehr shoppen? Das konnte wirklich nicht so weitergehen. Los, was gehörte noch zum Sanierungsprogramm?
Es war ja auch nicht so, dass es mir wirklich unwichtig war, wie ich aussah. Aber andere Sachen waren einfach viel wichtiger! Ich hatte den Kopf voll damit, zu überlegen, wann Majas nächster Kindergartenausflug war, ob sie noch eine passende Regenhose hatte, was sie morgen als Frühstück mitnehmen könnte, ob sie ihr Seepferdchen schaffte, ob ihr Badeanzug heile war und so weiter. Tausend kleine Dinge, die mein Gehirn blockierten.
Dann kam noch die Arbeit dazu und die Gedanken um Jonas. Und wo blieb ich? Tja, für mich war in meinem Kopf eigentlich kein Platz mehr übrig. Aber das musste ich ändern!
Mit deutlich mehr Enthusiasmus ließ ich den Rasierer beherzt seine Bahnen ziehen. Und wenn Jessica dachte, sie könnte sich meinen Mann angeln – jetzt kam die Wade dran –, nur weil sie mit ihm bei der Arbeit rumschäkerte – jetzt die Ferse –, dann hatte sie sich geschnitten! Aua! Vielmehr hatte ich mich geschnitten.
Ich hielt mir den schmerzenden Fuß und wunderte mich kurz über das viele Blut. Verdammt! Ich konnte aber auch einfach nichts richtig machen! Schnell wickelte ich mir ein frisches Handtuch um die Wunde. Ein Pflaster würde ich später suchen. Jetzt wollte ich erst mal in die Wanne, bevor das Wasser abkühlte. Und das Blut würde sicher aufhören zu fließen, wenn ich das Bein auf dem Wannenrand hochlegte. Mühsam stieg ich, nur ein Bein belastend, in den duftenden Schaum.
Wie sollte ich es schaffen, dass Jonas seine Praktikantin vergaß und sich nur noch nach mir verzehrte? Ich bekam es ja nicht mal ohne Unfälle hin, mir die Beine zu rasieren.
Früher war ich mal sexy gewesen (zumindest hatten das so einige behauptet), und ich würde alles dafür tun, dass zumindest Jonas das wieder so sah. Wenn ich mein äußeres Auftreten änderte, würde meine innere Haltung sicher ganz von selbst bald wieder eine positive werden.
Endlich spürte ich jetzt nach diesem Chaostag geradezu, wie meine angespannten Schultern vor Erleichterung aufseufzten. Eine Sekunde lang dachte ich an gar nichts.
Dann klingelte es an der Tür. Herzlichen Glückwunsch! Wer hätte das gedacht. Natürlich klingelte es immer an der Tür, wenn ich gerade baden wollte. So wie Maja meistens wach wurde, wenn ich endlich einschlief.
Das war wohl Lilly. Aber sie kam viel zu früh! Ächzend und schnaufend hievte ich mich wieder aus dem Wasser, schlüpfte klitschnass in meinen Bademantel und humpelte die Treppe hinunter Richtung Haustür. Dabei versuchte ich, nicht unseren gesamten Flur unter Wasser zu setzen.
Als ich beim Gehen nach unten sah, stellte ich erschrocken fest, dass ich meinen Schnitt am Fuß vergessen hatte – die Wunde blutete weiter munter vor sich hin, und ich tropfte den ganzen hellen Teppich voll! So ein Mist! Schnell griff ich mir ein Handtuch aus dem Gästebad und versuchte, mir damit die blutende Stelle zuzuhalten.
Weitere Kostenlose Bücher