Haertetest
abarbeiten. Wir müssen herausfinden, ob da was ist oder nicht. Er kann mir ja erzählen, dass er mich liebt, und trotzdem eine Affäre mit ihr haben, oder? Sie sah nicht gerade so aus, als wäre sie abgeneigt.«
Ich malte mit meinen Stiefeln Striche in die Erde.
Genervt stellte ich fest, dass mir Tränen aus den Augen liefen, und das lag nicht am böigen Oktoberwind.
Schnell wischte ich sie weg.
»So, und jetzt pass mal auf!«
Ich schniefte noch einmal und ärgerte mich ein bisschen darüber, dass ich immer und überall zu heulen anfing. Aber von der blöden kleinen Theaterkuh würde ich mich bestimmt nicht unterkriegen lassen.
Mit einer großen Geste zog ich mein Handy aus der Tasche und wackelte damit triumphierend vor Lillys Gesicht herum. Dann wählte ich eine Nummer aus meinem Telefonbuch.
»Wen rufst du an?«, fragte Lilly.
»Nur Geduld, mein Schatz!«, konterte ich und verpasste ihr damit die Retourkutsche für vorhin.
Es tutete zweimal, dann wurde der Hörer abgenommen.
»Ja, hallo, hier ist Sophie Ahorn. Ich hätte gerne noch einmal einen Termin zum Probetraining! Nein, nein, diesmal komme ich auch bestimmt … Ja, morgen Abend? Neunzehn Uhr. Okay, prima, bis dann.«
Lilly lachte. »Ach, Sophie!«
»Das ist mein Mann, und den hol ich mir zurück! Ich werde Blut und Wasser schwitzen, um mich wieder in Form zu bringen, und alles dafür tun, dass er nicht mehr so viel Zeit mit dieser Schlampe verbringt!«
Ich würde nicht zulassen, dass dieses Teufelsweib im Engelskostüm weiter seine Krallen nach meinem Mann ausstreckte. Das Einzige, das ich tun konnte, war, meinen Körper in die Form zurückzuzwängen, die Jonas vor sechs Jahren kennengelernt hatte. Und dann würde ich einen Bestseller schreiben mit dem Titel Wie angelt man sich seinen Mann zurück.
Im Grunde hielt ich Jonas nicht für so oberflächlich, dass seine Liebe zu mir von meiner Figur oder meinem Gewicht abhing. Aber es war im Moment das Einzige, das mir blieb. Zusehen, wie unsere Ehe den Bach runterging, wollte ich nicht. Und wenn es dann doch so sein sollte, würde ich wenigstens rank und schlank und sportlich sein. Das war besser als gar nichts. Außerdem würden sich damit auch meine Chancen, nach Jonas überhaupt mal wieder einen Mann zu bekommen, radikal verbessern.
Lilly fuhr mich zurück zur Redaktion.
Ihr abenteuerlustiger Tatendrang hatte sich, nachdem sie Jessica und Jonas leibhaftig gesehen und unseren Streit hautnah mitbekommen hatte, in Luft aufgelöst. Jetzt war sie eher nachdenklich und in sich gekehrt.
Wir sprachen nicht mehr viel, aber bevor ich ausstieg, fiel mir plötzlich wieder mit Schrecken ein, dass ich Lilly über der ganzen Jonas-Jessica-Sache total vernachlässigt hatte.
»Mensch, jetzt haben wir gar nicht über dich gesprochen! Was ist mit Henning, habt ihr euch noch mal geschrieben?«
Sie strahlte mich an und schaute dann etwas verlegen zur Seite. Sehr süß. Sehr verliebt.
»Ach komm, was denn nun?«, fragte ich neugierig nach.
»Ja, wir schreiben uns weiter.«
»Ja und?«, bohrte ich nach.
»Ich finde ihn sooo gut!«, seufzte sie schwärmerisch. »Und ich hab ihm versprochen, dass ich ihn treffe.«
»Sei bloß vorsichtig. Wenn Holger das rauskriegt …«
»Ja, das ist dann die andere Seite der Medaille.«
Lilly zog eine Grimasse. Ich konnte sie gut verstehen. Schnell beteuerte sie, dass sie sich mit ihm nur zum Kaffee treffen wollte. Sonst nichts! Das war ja nicht verboten. Allerdings sah Holger das vielleicht etwas anders.
Wie auch immer. Lilly und ich steckten da beide in etwas drin, das uns bald überfordern würde. Und ich glaube, dieses Etwas nannte man Ehe.
Mit einem erschrockenen Blick auf meine Uhr – vierzehn Uhr zehn – sprang ich aus Lillys Wagen.
»O Scheiße! Ich muss los!«
Im Laufen warf ich ihr noch eine Kusshand zu, dann rannte ich die Treppe zur Redaktion hinauf, indem ich zwei Stufen auf einmal nahm. Das klappte ja schon mal ganz gut. Für den Aerobic-Kurs morgen Abend war ich jedenfalls fit. Mein Atem beruhigte sich auch schon nach circa einer halben Stunde.
Es war mal wieder Viertel nach vier und ich damit eine Viertelstunde zu spät, als ich mich durch das Gewühl von Hunderten laut schreienden Kindern drängelte, um meine Tochter abzuholen und mit ihr zum Schwimmen zu hetzen.
Wie aus dem Nichts tauchte Frau Fischer aus der Kindermenge vor mir auf. Ich fuhr erschrocken zurück. Fast wäre ich in sie hineingelaufen. An ihrer Hand hing Maja und sah
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