Haertetest
furchtbar blass aus.
»Sie hat Fieber!«, verkündete Frau Fischer mit Todesmiene, als sei ich schuld an allem Elend der Welt.
Den ganzen Nachmittag über saß ich an ihrem Bett, hielt ihre Hand und den Spuckeimer und strich immer wieder mit einem kalten Waschlappen über ihre heiße Stirn.
»Mami, mir ist so slecht«, stöhnte Maja und ließ ihren Kopf auf meinen Schoß fallen. Ich machte aus evolutionsbiologischen Gründen »Schschsch«-Geräusche und streichelte sie beruhigend.
Den Schwimmkurs hatte ich heute Nachmittag kurzerhand abgesagt. Fragte sich nur, wie sie am Donnerstag, also übermorgen, ihr Seepferdchen machen sollte. Es war ihr doch so wichtig! Wie sollte sie die fünfundzwanzig Meter ohne Hilfsmittel wie Schwimmflügel oder Plastikgürtel schaffen, ohne vorher noch einmal zu üben? Natürlich hielt ich mein Kind für sehr begabt. Aber für so begabt dann nun auch wieder nicht.
Leise summend strich ich Maja über das schweißnasse Haar. Da sie vorhin zwar 38,6 Grad Temperatur, aber keine Bauchschmerzen gehabt hatte, hatte ich ihr Kartoffelbrei mit Erbsen gekocht. Maja gehörte zu den Kindern, die immer essen konnten. Und Essen bedeutete Energie, also hatte ich hoffentlich damit nichts falsch gemacht.
Und jetzt war ihr schlecht. Ich konnte nur hoffen, dass es beim Fieber blieb und sich kein Magen-Darm-Virus einschlich. Den konnte ich nun wirklich am allerwenigsten gebrauchen.
Es war früher Abend, halb sechs. Jonas hatte sich nach meinem Besuch im Theater noch nicht wieder gemeldet. Während Maja sich blass auf meinen Schoß kuschelte, dachte ich nach.
Vielleicht war Jonas immer noch sauer auf mich, weil ich seine Besprechung gesprengt hatte, und ich würde alles nur noch schlimmer machen, wenn ich ihn wieder anrief. Sollte er doch an dem Stück für Berlin arbeiten, so lange er wollte! Ein klein bisschen schlechtes Gewissen hatte ich deswegen ja, aber das war es wert gewesen. Immerhin kannte ich jetzt meinen Feind! Oder hatte ich meinen Mann dadurch, dass ich ihn überraschend aufgesucht hatte, weiter in Jessicas Arme getrieben? Fühlte er sich kontrolliert? Dabei war das erst der erste Punkt auf meiner Liste.
Maja schlief langsam ein. Ich strich ihre Haare aus der Stirn und betrachtete sie. Sie war so süß, wie sie da lag. So lieb und rein. Sie hustete, und ich versuchte, nicht zu atmen. Nicht, dass sie wieder aufwachte und womöglich noch spucken musste. Ich fühlte mich einfach nicht in der Lage, heute noch zu waschen und ihr Bett nach der Kaffeeattacke von heute Morgen zum zweiten Mal neu zu beziehen. Ich war ja auch nur ein Mensch.
Einige Zeit später konnte ich mich von ihr lösen, ohne sie zu wecken. In der Küche klebte der Fußboden von verschüttetem Apfelsaft, überall lagen und standen benutzte Teller, Tassen, Gläser, Packungen mit Aufschnitt von heute Morgen und ein offenes Nutellaglas. Trautes Heim, Glück allein? Igitt.
Die Töpfe mit Erbsen und Kartoffelbrei musste ich auch noch auswaschen. Die Küche quoll über vor Müll und Dreck. Und das war lediglich das Resultat eines einzigen Tages. Vielleicht wäre es sinnvoll, hier vorher noch mal ein Fernsehteam von Raus aus dem Messie-Chaos filmen zu lassen. Sie könnten schöne Schwarz-Weiß-Aufnahmen von unserer Spüle drehen und dann zum Obstkorb rüberschwenken. Da schimmelte ein ehemals roter Apfel einsam vor sich hin, und mehrere Fruchtfliegen kreisten schmatzend um ihn herum.
Wann sollte noch mal die Anzeige erscheinen, dass wir eine Haushaltshilfe suchten? Ich warf einen Blick auf den Familienkalender. Ach ja, am Mittwoch, also morgen.
Nachdenklich strich ich mit dem Finger über das heutige Datum. Baby machen stand da. Ein Herz mit einem Smiley hatte ich dahinter gemalt. Es sah aber nicht so aus, als würden Jonas und ich in der nächsten Zeit dazu kommen, einen wunderschönen, romantischen Abend miteinander zu verbringen und dabei auch noch ein Kind zu produzieren.
Meine Sehnsucht nach dem Baby hatte seit gestern bereits einiges eingebüßt. Erst das neue Job-Angebot und heute der Streit mit Jonas im Theater … Ich wusste auf einmal gar nicht mehr, ob ich überhaupt noch ein Kind wollte.
Seufzend machte ich mich daran, unser Küchenchaos samt schimmeligem Apfel gründlich zu beseitigen. Dabei fiel mir Majas neuestes Kindergartenwerk in die Hände. Schnell klebte ich es mit Tesafilm an die weiße Küchenwand, zu all den anderen Fotos und Bildern. Diese Wand sah ich mir gerne an, wenn ich traurig
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