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Haertetest

Haertetest

Titel: Haertetest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katri Dietz
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zum Ausgangspunkt: »Was war jetzt mit Jessica? Habt ihr …?«
    »Ich hab … Ich meine … Wie soll ich dir das erklären?«, stammelte Jonas. Ah! Scheiße. Eins, zwei, drei, vier … Ich  musste  zählen, um meine Gefühle unter Kontrolle zu kriegen. Meine Tränen wollten sich aber vom Zählen überhaupt nicht beeindrucken lassen. Jetzt sag bloß nicht noch …
    »Es ist aber nicht so, wie du denkst!«
    Doch. Er hatte es gesagt. Und es wurde noch schlimmer: »Ich kann das erklären!«
    Ah ja. Ich warte. Merkwürdigerweise wurde ich jetzt innerlich ganz ruhig. Das Schlimmste war offenbar geschehen. Ich verschränkte die Arme und wartete auf seine »Erklärung« (ja, in Anführungsstrichen).
    »Jessica und ich, also wir haben … Es ist einfach so passiert. Sophie, es tut mir leid.«
    O nein. Ich hörte, wie etwas Kleines die Treppe hinuntertapste.
    »Schschsch!«, machte ich zu Jonas und wedelte mit der Hand, damit er jetzt bloß nichts mehr erklärte. So einen Streit sollte Maja nicht erleben.
    »Mami?« Maja lugte verschlafen und verstrubbelt durch die Küchentür, im Arm ihren alten, abgewetzten Löwen, den man kaum noch als Löwen identifizieren konnte. Überall quollen die Woll-Eingeweide aus ihm heraus. Genauso fühlte ich mich auch. Wie ein ausgeweidetes Tier.
    »Ja, Schatzi?« Ich versuchte zu lächeln.
    »Warum sreit ihr denn so?«
    »Wir schreien doch gar nicht.«
    Aber natürlich hatte sie recht – wir schrien ja schon die ganze Zeit.
    »Streitet ihr eus?«
    »Ja, Süße, wir streiten uns ein bisschen«, musste ich gestehen. Sie war ja nicht ganz blöd. Dass wir uns hier nicht in harmonischer Zweierrunde Witze und lustige Anekdötchen erzählten, hatte sie sowieso mitbekommen.
    »Können wir kusseln?«
    Ihre blauen Augen trafen mich bis ins Innerste meiner Seele. Ich wollte natürlich hier mit Jonas diese Sache klären – andererseits wollte ich eigentlich gar nichts mehr hören. Das hätte ja bedeutet, mir Konsequenzen überlegen zu müssen. Und davor graute mir am meisten. Es sah wohl doch danach aus, dass Jonas und Holger zusammenziehen konnten.
    »Ja, ich komme. Wir können kuscheln.«
    »Papi auch!«, bestimmte sie.
    Ich sah Jonas an. Das würde ich jetzt nicht ertragen. Familienkuscheln und so tun, als wären wir die glückliche Rama-Familie, die sich morgens um sechs noch mal zusammen ins Bett legt? Nein, danke. Das kann ich nicht.
    »Ich denke, Papi muss sich jetzt für die Arbeit fertig machen.«
    Und zum Papi sagte ich: »Du darfst dann ab heute im Wohnzimmer schlafen. Wenn du hier noch schlafen möchtest. Bis wir das geklärt haben.«
    Dann legte ich mich mit Maja ins Bett.
    »Is hab Angst«, flüsterte sie an meiner Schulter.
    »Aber wovor denn, Süße?« Hatte sie doch mehr gehört, oder ahnte sie mehr, als ich wusste?
    »Heute ist doch das Seepferdsen. Und is weis nis, ob is das saffe.«
    »Das schaffst du, mein Schatz, ganz bestimmt. Ich bin ja bei dir!«, versicherte ich ihr und drückte sie fest an mich. Erstaunlicherweise ließ sie es zu. Sie war ja sonst kein Kuschelkind. Dass sie sich jetzt so an mich schmiegte, zeigte, dass sie wirklich Angst hatte und sich bei mir geborgen fühlte.
    Ich hatte auch Angst. Aber nicht davor, dass sie ihr Seepferdchen nicht schaffte.
    »Im Anschluss an die Nachrichten hören Sie eine Unwetterwarnung«, sagte der Sprecher, und ich stellte das Autoradio lauter. Das Wetter spielte wirklich verrückt.
    Heute Morgen hatte es Bodenfrost gegeben. Das ist für Oktober nicht so ungewöhnlich. Als wir ins Auto gestiegen waren, musste ich zwar die Scheiben freikratzen, aber jetzt war der Himmel blau, und die Sonne schien.
    Das wirklich Ungewöhnliche waren die sommerlichen Temperaturen, die uns heute noch erwarteten. Der Sprecher meldete bis zu zwanzig Grad. Dazu wurde zum Wochenende vor einem Orkan mit starken Böen gewarnt. Hörte man sich durch die verschiedenen Sender, hätte man den Eindruck bekommen können, der Weltuntergang stünde unmittelbar bevor. Die Nachrichten waren voll von Unwetterwarnungen und Expertenmeinungen, wobei jeder dahergelaufene Wetterfrosch zum Experten gekürt wurde.
    Die Rede war vom  alles vernichtenden Monster-Zyklon.  Sein Name war Norbert .  Man sprach von  Klimakatastrophe, Polkappenschmelzung  und  Jahrtausendherbst.  Man konnte davon ausgehen, dass es sich um einen ganz normalen kleinen Orkan handeln würde, wie ihn jeder Norddeutsche zweimal im Jahr über sich hinwegrauschen hört. Dabei flogen meistens

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