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Haertetest

Haertetest

Titel: Haertetest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katri Dietz
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Gartenmöbel durch die Gegend, Keller liefen voll, und es gab einige, meist harmlose Autounfälle.
    Aber Norbert wurde – wahrscheinlich wegen Nachrichtenmangels – als »ultimative Katastrophe« beschrieben – und da der Zustand der Alarmbereitschaft, also der Katastrophenzustand, bei uns ja anscheinend normal geworden war, wurde diese Katastrophe zur Monster-Katastrophe, und die ganze mediale Aufbereitung erinnerte sehr stark an  Weltuntergang.
    Für mich bedeutete die Wettervorhersage nur, dass Maja zu warm angezogen war. Mein Knöchel tat noch weh, aber ich hatte den Fuß in einen normalen Schuh quetschen können. Mein flaues Bauchgefühl wegen Jonas versuchte ich zu ignorieren. Als Maja und ich aufgewacht waren, war Jonas natürlich schon zur Arbeit. Auf die Idee, mir einen Brief oder wenigstens einen kurzen Zettel zu hinterlassen, war er selbstverständlich nicht gekommen. Vielleicht war ja auch alles gar nicht so schlimm. Selbst wenn er jetzt etwas mit ihr hatte, konnte ich ihm das vielleicht durchgehen lassen, wenn er das Techtelmechtel beendete.
    Das geplante Wellness-Wochenende, der Kettenanhänger und auch der Ehering, den er nicht trug, machten mir wirklich Sorgen, auch wenn ich Lilly gegenüber so getan hatte, als wäre es nicht so. Um nicht zu sagen, ich hatte heftige Bauchschmerzen.
    Trotzdem funktionierte ich, wie eine Mutter eben zu funktionieren hat. Ein Schritt nach dem anderen, komm, mein Schatz, erst putzen wir uns die Zähne, dann ziehen wir uns schön an. Maja forderte meine ganze Konzentration, sodass es mir nicht schwerfiel, den Streit von heute Morgen und meine Sorgen der letzten Tage etwas beiseitezuschieben. Dass ich unendlich müde war, merkte ich schon fast nicht mehr. Wahrscheinlich taten Adrenalin und Kaffee ihre Wirkung.
    Jetzt musste ich blitzschnell – also so blitzschnell, wie es eben ging – Maja in die  Patschehändchen -Gruppe bringen und dann zum Zahnarzt fahren. Igitt, Zahnarzt. Wäre es heute nicht wirklich wichtig gewesen, hätte ich wohl den Termin abgesagt. Da ich aber tausendzweihundert Euro gespart hatte, um mir meine schiefen Schneidezähne mit Kronen verschönern zu lassen, und es sich somit um so etwas wie eine Schönheitsoperation handelte, würde ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen müssen. Oder eher morgen. Heute würde ich bestimmt nicht mehr kraftvoll zubeißen.
    Auf dem Weg zur Zahnarztpraxis am Winterhuder Marktplatz versuchte ich, nicht so viel an Jonas und Jessica zu denken. Aber wie das mit unerwünschten Gedanken so ist – sie lassen sich einfach nicht wegschieben. Vielleicht könnte ich ihn nach dem Zahnarzttermin im Theater anrufen und ohne Jessica an seiner Seite in Ruhe mit ihm sprechen … Oder war das ein Gespräch, das wir lieber doch vis-à-vis führen sollten?
    Aber wie verhält man sich, wenn der Mann einem seinen Seitensprung gestanden hat? Das stand in keiner Zeitschrift. Gab es keinen Dr. Sommer für Erwachsene? »Liebes Dr. Sommer-Team, mein Mann schläft wahrscheinlich mit seiner Praktikantin – was mache ich jetzt? Und wie spreche ich ihn am besten darauf an? Oder brauche ich erst noch einen richtigen Beweis? Und was wäre die logische Konsequenz? Muss ich ihn jetzt verlassen? Mit freundlichen Grüßen, eine verzweifelte Hausfrau.« Das wäre doch mal eine gute Idee für  Mütter.  Das musste ich Amelie unbedingt vorschlagen. Wir wären dann eben das Dr. Winter-Team.
    Eine halbe Stunde später stand ich mit noch mulmigerem Gefühl in der lichtdurchfluteten und in Weiß gehaltenen Praxis von Dr. Paradies. Kein Witz, der Mann hieß wirklich so. Bei einem Zahnarzt mit diesem Namen konnte eigentlich nichts schiefgehen, oder?
    Die Sprechstundenhilfe hatte sich auf ihrem Drehstuhl fast komplett hinter ihrem Tresen versteckt, sah mich an, hielt einen Zeigefinger in die Luft und den Telefonhörer ans Ohr. Damit meinte sie wohl »Ich bin gleich fertig« oder, was mir wahrscheinlicher schien: »Es dauert noch eine Weile.« Zwischendurch machte sie »hm-hm« und »ja, aber«.
    Auf diesen Termin hatte ich über ein halbes Jahr gewartet. Auch wenn es mit meinen Haaren nicht so prima geklappt hatte – ich trug natürlich weiter meine rosa Mütze –, war ich optimistisch, dass es mit meinen Zähnen besser werden würde. Ich kam mir jetzt schon vor wie in der Verschönerungssendung  The Swan,  wo Hartz- IV -Bräute zu schönen Menschen gestylt wurden. Zum Glück hatte ich Montag den Friseurtermin, dann noch ein bisschen

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