Haertetest
Inzwischen ist es schon so weit, dass ich gar nicht mehr will, dass Holger sich ändert. Der kann meinetwegen so bleiben, wie er ist – aber ich will nicht mehr mit ihm zusammen sein.«
Sie schüttelte nachdrücklich ihre Locken. Und ich wusste, wenn sie sich etwas in ihren Kopf gesetzt hatte, dann zog sie das auch durch. Sie war sehr temperamentvoll und impulsiv, aber auch konsequent.
»Tja, wenn das so ist, Süße …« Ich wusste nicht wirklich, wie ich darauf reagieren sollte. Das Einzige, das mir einfiel, war, dass Lilly jederzeit zu mir kommen konnte, und das sagte ich ihr.
»Das weiß ich doch. Danke, Schatz.«
Ich nahm ihre Hand und drückte sie.
»Aber du hast Henning immer noch nicht gesagt, dass du verheiratet bist. Denn im Moment bist du’s ja noch! Aber ich meine, was passiert denn, wenn du dich von Holger trennst, und Mr Universe hier ist doch nicht der Richtige? Willst du das Risiko denn eingehen?«
»Wenn ich mich von Holger trenne, dann nicht wegen Henning«, erklärte Lilly. »Dann bin ich eben wieder Single. Schlimmer als jetzt mit Holger kann es auch nicht werden.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Das Gefühl ist einfach weg. Und für Henning ist das Gefühl eben voll da. Ich bin mir ganz sicher, dass das richtig ist. Wir wollen uns am Samstag treffen.«
»Jetzt wirklich? Oh, okay. Ich wünsch dir ganz viel Spaß, und du musst mir unbedingt alles erzählen!«
Ich war aufgeregt wie mit fünfzehn! Wie aufregend musste es erst für Lilly sein!
Andererseits musste ich noch mal den Moralapostel spielen. Holger sollte zumindest Bescheid wissen, wenn sie erwog, ihn zu verlassen.
»Wann willst du denn mit Holger sprechen?«
Ihr fröhliches Leuchten erlosch. Klar, ich hätte mir jetzt auch nicht gerade jemanden gewünscht, der immer noch mal den Finger auf die Wunde legte. Aber es war wichtig! Ich konnte sie, vor allem in Anbetracht meiner Situation, nicht darin unterstützen, dass sie ihren Mann hinterging! Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu – egal, ob sie Holger noch liebte oder nicht, sie wusste nicht, ob er nicht noch etwas für sie empfand. Und sie war mit ihm verheiratet, und das hieß: Finger, Zungen und andere Organe weg von fremden Männern.
»Das weiß ich noch nicht. Es muss sich irgendwie die Gelegenheit dazu ergeben.«
»Also, und wenn was ist, ich meine, wenn du erst mal eine Bleibe brauchst, du weißt ja, dass du jederzeit herkommen kannst, okay? Wir haben doch noch das Babyzimmer – in das wahrscheinlich nie ein Baby einziehen wird –, das darfst du dann gerne haben.«
Au ja, wir würden eine super WG werden! Lilly, Maja und ich! Äh, und Jonas. Falls wir dann noch zusammen wären. Ansonsten könnte Jonas ja vielleicht zu Holger ziehen. Ach nein, das war absurd.
Dann fiel mir ein, dass ich noch gar nicht ausführlich mit Lilly über meine Arbeit gesprochen hatte. Ich erzählte ihr, dass ich Mütter revolutionieren wollte! Die Zeitschrift hatte nur auf mich als Chefin gewartet! Allerdings durfte ich ja erst am ersten Dezember offiziell Amelies Posten antreten, und auch das nur für vierzehn Monate.
Ich erzählte Lilly, dass ich immer noch sauer und traurig war, dass Amelie so überraschend schwanger geworden war. Und dass ich es nicht war. Unser altes Thema. Lilly seufzte.
»Wem sagst du das?« Lilly hatte vor vier Jahren eine Fehlgeburt gehabt und war seitdem nicht mehr schwanger geworden. Dem hatte ich natürlich nichts entgegenzusetzen. Immerhin hatte ich meine Maja. Auch wenn sie manchmal so rotzfrech war und eigentlich nie das machte, was sie sollte, liebte ich sie von ganzem Herzen. Sie war mein Kind, mein Universum, mein Ein und Alles. Für sie würde ich mein Leben geben.
Wenn es mit Baby Nr. zwei nicht klappen sollte, warteten wir eben noch ein bisschen. Wieso es bei Lilly und Holger nicht klappte, konnte niemand verstehen. Organisch waren sie jedenfalls in der Lage, ein Kind zu zeugen. Lilly war ständig beim Arzt, um sich untersuchen zu lassen, und nahm Hormonpräparate, die ihren Zyklus unterstützen sollten. Aber sie nahm das alles mit einer Leichtigkeit und ohne sich zu beschweren, um die ich sie glühend beneidete. Was sie im Stillen darüber dachte, wusste ich nicht. Und sie wäre der letzte Mensch, der vor mir jammern würde.
»Ach, manchmal passen Menschen eben einfach nicht zusammen, und dann soll es auch nicht sein«, stellte Lilly nun sehr sachlich fest und
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