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Haertetest

Haertetest

Titel: Haertetest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katri Dietz
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Bräunungscreme ins Gesicht, und ich war perfekt. Hoffentlich.
    Die Sprechstundenhilfe hörte auf zu telefonieren. Jedenfalls leitete sie eine Verabschiedung ein.
    »Ja, Schatz, bis heute Abend dann. Ja, ich dich auch. Tschüs! Ja, tschüs! Leg du zuerst auf. Nein, leg du zuerst auf.«
    Sie hielt immer noch den Zeigefinger in die Höhe, sah mich an und kicherte. Wie alt war sie? Zwölf? Ich war kurz davor, ihr den Hörer aus der Hand zu reißen und selber aufzulegen. Schließlich hatte ich auch nicht den ganzen Tag Zeit. Ich musste immer noch eine Haushaltshilfe suchen und meine Telefonnummer ändern lassen.
    Endlich konnte sie sich losreißen und nahm jetzt auch den Finger runter.
    »Guten Morgen, Frau äh, was kann ich für Sie tun?«, flötete sie munter.
    »Äh heiß ich nicht, sondern Ahorn«, entgegnete ich freundlich. »Ich habe einen Termin um zehn.«
    Sie schickte mich in Zimmer vier. Prima, zum Glück kam ich jetzt wenigstens gleich dran und musste nicht mehr warten. Umständlich nahm ich auf dem schrecklichen Zahnarztstuhl Platz. Meine Aufregung stieg. Gleich würde ich neue, schöne, weiße, gerade Zähne bekommen! Nach zermürbenden fünfzig Minuten erbarmte sich der Zahnarzt dann auch endlich, mich zu behandeln. Willkommen im Paradies!
    Meine Füße ragten in ihren pinkfarbenen Chucks weit nach oben in Richtung Zimmerdecke, dagegen befand sich mein Kopf relativ bodennah im Behandlungsstuhl. Ein röchelnder Sauger hing mir aus dem Mund, und über mein Gesicht zog sich eine grüne Gummifolie, aus der wohl noch meine Nase und meine Augen schauten. Zumindest sah ich etwas und bekam auch noch genug Luft. Spucke lief mir vom linken Mundwinkel seitlich am Hals entlang und hoffentlich auf mein Sabberlätzchen.
    Meine Schneidezähne gehörten der Vergangenheit an, an ihrer Stelle saßen nun vier Zahnstummel, auf die hoffentlich in wenigen Minuten die wunderbar schönen, neuen, weißen Kunstzähne gesetzt werden sollten, von denen ich träumte. Was Dr. Paradies jetzt mit »Provisorien« meinte, hatte er nicht genau erklärt, aber die würden doch sicher auch hübsch aussehen.
    Mit den Worten »Bin gleich wieder da« hatten er und seine emotional völlig sterile Assistentin den Raum verlassen – um was zu tun? Keine Ahnung. Techtelmechtel am Arbeitsplatz standen ja anscheinend hoch im Kurs.
    Mein Kopf dröhnte, und ich war bestimmt knallrot. Wieso hatte er mich denn nicht wieder in die normale Stellung befördert?, ärgerte ich mich. Zahnärzte sind allesamt Sadisten, stellte ich nicht zum ersten Mal fest, als etwas durch meine Gedanken brummte. Herrje, jetzt wurde mir ganz komisch, meine Ohren litten bestimmt auch unter der Belastung. Tinnitus ist ja auch ein Zeichen von Stress. Es brummte wieder, tief und laut. Von links nach rechts und ziemlich genau über meinem Kopf.
    Also, meinen Ohren ging es gut, aber was ich sah, entsetzte mich dermaßen, dass ich mich an meiner Spucke verschluckte. Eine Hornisse! Hilfe! Und ich ihr völlig schutzlos ausgeliefert! Panik durchflutete mich, und ich sah einen roten Schleier vor meinen Augen. Nichts finde ich auf der Welt schlimmer als Wespen – außer natürlich: Hornissen!
    Diese hier war bestimmt länger als mein Zeigefinger, unglaublich dick und sehr aggressiv. Sie hielt sich wie ein Hubschrauber auf der Stelle direkt über mir und starrte mich böse an. Vielleicht war sie von meinem Angstschweiß angelockt worden, der durchs offene Fenster nach draußen geweht war, schließlich hatte ich schon jede Menge Elend ausgestanden, als der Zahnarzt, der lieber den Namen  Dr. Hölle  tragen sollte, mir unsanft die Zähne abgeschmirgelt hatte.
    Ohne lange zu überlegen, angelte ich den Spuckesauger aus meinem Mund, warf ihn irgendwohin, schlug meine Beine, die inzwischen eingeschlafen waren, auf den Boden und ließ mich unsanft hinterherplumpsen. Dann wankte ich zur Tür und in den Gang hinaus. Zur nächsten Halloween-Party könnte ich als Zahnarztpatient gehen, schoss mir noch durch den Kopf, so ganz ohne Zähne und mit grünem Lätzchen. Ich muss genauso schauerlich ausgesehen haben, wie ich mich fühlte, denn die Sprechstundenhilfe zuckte zusammen, als sie mich erblickte. Aber ich hatte keine Zeit, eitel zu sein.
    »Eime Hormiffe!«, mümmelte ich, kaum in der Lage zu sprechen, da mir ja die oberen vorderen Zähne fehlten.
    Au weia, jetzt hielten die mich für total durchgedreht. Die Tür des Aufenthaltsraumes öffnete sich, eine Wolke Zigarettenrauch quoll heraus und

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