Haertetest
geben. Wenn ich Montag wieder da bin, hätte ich gerne die Liste. Die Beiträge müssen dann in vier Wochen auf meinem Tisch liegen.«
So war Amelie. Da hatte sie wohl nur einmal kurz die Fassung verloren. War ja auch kein Wunder, wenn man in der zwölften Schwangerschaftswoche Blutungen bekam. Ich konnte mir nicht ausmalen, wie sie sich fühlen musste. Trotzdem schaffte sie es innerhalb von Sekunden, sich komplett zusammenzureißen und wieder die akkurate Chefin zu sein.
Aber das war meine Chance. Ich würde zeigen, dass ich sie würdig vertreten konnte.
»Na klar, ich fahr gleich los. Mach dir um uns erst mal keine Sorgen, okay? Das schaffen wir schon. Und ruh dich schön aus, ja? Alles Gute.«
Hoffentlich ging alles gut. Dass sie ihr »Erst nicht gewolltes, aber jetzt freute sie sich drauf«-Baby verlor, würde ich ja niemandem wünschen. Natürlich würde ich meine Pläne für heute umschmeißen – im Grunde war ich ja froh, dass ich nicht putzen musste – und sofort in die Redaktion fahren. Allerdings musste ich um halb vier pünktlich zurück und Maja zu ihrer Schwimmprüfung begleiten.
Das Bild der sonst so kühlen, blond toupierten Amelie, tränenüberströmt im Krankenhausflur, in einem brettharten ekligen Krankenhauskittel im Krankenhausbett am CTG , wo die Herztöne ihres Babys gemessen wurden, wollte mich nicht mehr loslassen. Ich wünschte ihr einen starken Mann an ihrer Seite, und ich meine, nicht muskelbepackt, sondern innerlich stark, der sie stützte und für sie da war. Vor allem wünschte ich ihr, dass das Baby dort blieb, wo es hingehörte, damit es in sechseinhalb Monaten als kleiner Wonneproppen zur Welt kommen konnte.
Mit einem zaghaften Klopfen machte ich mich an Evas Bürotür bemerkbar. Okay, sie war nicht meine beste Freundin, aber in diesem Fall mussten wir uns wohl oder übel zusammentun.
»Oh, hallo.« Sie hob den Kopf und lächelte nicht. »Sophie, was gibt es denn?«
»Kann ich kurz mit dir sprechen? Amelie hat mich eben angerufen.« Ich erklärte ihr den Sachverhalt, und sie erklärte mir Amelies Welt. Mit dem Marketing für Mütter für das WWW kannte sie sich viel besser aus als ich. Deshalb bat ich sie, Amelies Teil zu übernehmen, bis sie wieder da war. Das sollte ja, wenn alles gut ging, Montag der Fall sein.
Dann ging ich in die Redaktionsräume der freien Autorinnen. »Hey!«, freute sich Bianca, die mich als Erste sah. »Was machst du denn hier?« Da sie alleine war, setzte ich mich zu ihr und erzählte, dass Amelie mich gebeten hatte, sie heute und morgen zu vertreten. Und auch, warum.
»Oh, nein«, murmelte sie. »Wie furchtbar! Hoffentlich verliert sie das Baby nicht.«
»Wir müssen es den anderen sagen. Ich meine, nur weil ich ja jetzt hier sozusagen – äh – die Ansprechpartnerin bin.«
Als alle Kollegen und Kolleginnen Bescheid wussten, machte ich mich an die Arbeit. Die Themen für Januar mussten vorbereitet werden. Okay. Ich kannte das Konzept des Magazins, die Abfolge der Beiträge, die Anzeigen. Jetzt musste ich die Autorinnen der Reihe nach fragen, was sie liefern wollten.
Ich sah die Terminmappe durch. Es fand sich vielleicht auch die eine oder andere spannende Pressekonferenz. Und ich dachte, dass uns etwas mehr Kultur auch nicht schaden könnte. Statt Rohkostrezepten vielleicht lieber ein Musical-Tipp. Je mehr ich mich mit der Themenplanung beschäftigte, desto mehr Spaß machte es mir.
Die Rubriken Rezepte, Mode, Horoskop und Kolumne waren immer gleichbleibend besetzt. Wir hatten eine Moderedaktion, eine Volontärin für die Horoskope, eine Koch-Redaktion und die freien Autorinnen, die für alles andere zuständig waren. Aber wenn wir wirklich etwas offener für Neues werden wollten, musste mehr Pep ins Magazin, so wie Herr Klawes gesagt hatte. Und ich wusste auch schon, wie.
Ein Thema lag mir sehr am Herzen. Und damit würde das erste Heft des neuen Jahres anfangen. Die Zeitschrift würde sich, so wie sie in ihrer personellen Besetzung aufgestellt war, den Leserinnen vorstellen. Und zwar nicht nur oberflächlich, sondern mit allen Stärken und Schwächen. Und der Artikel sollte davon handeln, wie das Leben mit Kindern wirklich war. Ich schrieb also eine Rund-Mail, in der ich alle morgen um neun Uhr dreißig zu einem kurzen Meeting in den Konferenzraum bat.
Nach dem Zahnarzttermin hatte ich heftige Kopfschmerzen bekommen, und meine Oberlippe tat furchtbar weh. Mein Knöchel fühlte sich auch geschwollen an, und ich hätte
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