Haertetest
ich munter und wahnsinnig souverän, so ganz Hausfrau im eigenen Heim, und ging zur Treppe nach oben.
»Oh!«, entfuhr es Gertrud.
»Ja?«, fragte ich schon leicht genervt.
»Das Geländer hat aber auch lange keinen Lappen gesehen!«
Das war richtig. Genauer gesagt hatte es noch NIE einen Lappen aus der Nähe gesehen. Hier sammelte ich viel lieber Erinnerungen. Die roten Nagellackflecken auf dem weißen Geländer erinnerten mich immer daran, als ich nervös ans Telefon gerannt war, weil ich auf einen Anruf meiner damals noch neuen Chefin Amelie Winter wartete.
Dabei hatte ich wohl vergessen, dass ich mir gerade die Nägel lackierte. Das Fläschchen hatte sich leider ganz über das Geländer ergossen. Der Nagellackentferner hatte den Schaden nur gering begrenzt. Und Jonas hatte versprochen, mal mit Waschbenzin ranzugehen. Maja hatte mit einem Taschenmesser ihren Namen in den Pfosten geschnitzt. Jetzt stand dort für immer MAJA . Ich hatte mit einem Bleistift noch das Datum ergänzt. Immerhin hatte meine herzallerliebste Tochter mit drei Jahren das erste Mal ihren Namen geschrieben! Und auch noch richtig!
Oben im Schlafzimmer und in Majas Zimmer war es nicht aufgeräumt. Lilly schlief noch im Babyzimmer, da konnten wir natürlich nicht hinein. Ich dachte, ich würde der künftigen Haushaltskraft ja schon gerne zeigen, womit sie es dann zu tun bekäme. Dass sie es sooo schlimm fand, hätte ich aber nicht erwartet.
Wieder ließ sie abschätzend ihren Blick durch unsere Räume schweifen. »Na jaaaa«, murmelte sie. Dann sah sie zu den Decken hinauf. Oje, die Decken. Nein. Natürlich hatte ich mir lange nicht die Mühe gemacht, die Spinnweben zu entfernen. Wenn überhaupt schon einmal … Gertrud Hörrförr zog scharf die Luft ein. Dann erschauderte sie.
»Also … Ich könnte ja so nicht leben.« Sie schüttelte angeekelt den Kopf.
Langsam ärgerte ich mich. Ich wollte ja auch nicht so leben wie sie. Aber das sagte ich ihr lieber nicht. Nicht, dass es noch hieß, ich wäre arrogant. Ich war ja auch nur Redakteurin und quasi alleinerziehend. Nein, liebe Gertrud Hörrförr, so einen tollen picobello Haushalt habe ich nun wirklich nicht. Und ich bin fast ein bisschen stolz darauf. Weil mir andere Sachen wichtiger sind. Nachdem sie sich ausreichend darüber geäußert hatte, dass sie wirklich soo also gaaar nicht leben könnte und wollte, führte ich sie wortlos die Treppe hinunter.
Ich versuchte halbherzig, sie mit Entschuldigungen zu beschwichtigen. »Also wir haben auch beide immer so viel zu tun. Und niemanden, der auf unser Kind aufpasst.«
Das ließ die strenge Frau Hörrförr aber nicht durchgehen. »Papperlapapp!«, schnappte sie, »ich hab drei Kinder, und ich hab meinen Haushalt pi-co-bello, sag ich Ihnen, aber so pi-co-bello, da kann man vom Boden essen, jawoll, vom Boden!«
Ja, ja, das hatten wir schon.
»Und wenn ich hier anfangen sollte – also falls! Das muss ich mir aber noch überlegen! –, dann müssten Sie sich bitte erst mal ordentliches Werkzeug kaufen. Also es gibt von Hara so ein Wischsystem. Das kostet zwar gut hundertfünfzig Euro, aber das ist auch eine lohnende Investition.«
Ich hörte mir geduldig ungefähr zehn Minuten etwas über ihr Wischsystem an. Mein Wischsystem hieß »Wischer«, war von Rossmann und kostete 7,99 Euro. Und das hatte mir schon jahrelang gute Dienste geleistet.
Mir kam eine Idee, wie ich sie nun schleunigst loswerden könnte. Mitten in ihrem Redefluss über ein vernünftiges Wischsystem für die Fenster – das würde dann ebenfalls bei um die hundertfünfzig Euro liegen – fiel ich ihr ins Wort. »Was also dann als Erstes gemacht werden müsste, wäre der Keller. Den zeige ich Ihnen noch mal schnell, dann muss ich auch gleich los. Zur Arbeit. Ich bin ja berufstätig.«
Ui, unser Keller. Der war schon für uns, die wir ja hart im Nehmen waren, ziemlich schlimm.
Dort hinunter gingen wir wirklich nur ungern. Es war immer kalt, obwohl wir die Heizung aufdrehten, muffig, und wir hatten unglaublich viel Krempel dort stehen.
Maja durfte auch nicht alleine dort runter, weil die Verletzungsgefahr viel zu hoch war. Jonas’ Werkzeug, das er »für später mal« dort liegen hatte, verteilte sich munter im sogenannten »Werkraum« (der noch nie zu irgendetwas Nützlichem gebraucht worden war, außer dort Werkzeug zu lagern, das niemand brauchte) und bot allgemein einen Anblick des Grauens. Sagen wir mal, Tine
Weitere Kostenlose Bücher