Haertetest
Aktionen, um sich nützlich zu fühlen. Skeptisch schob ich mich an ihrem Schreibtisch vorbei und betrat das Büro des Geschäftsführers.
Herr Klawes legte raschelnd seine Bild-Zeitung zur Seite und empfing mich freundlich. Er stand auf, um mir die Hand zu geben.
»Frau Ahorn, was kann ich für Sie tun?«
Ich holte tief Luft.
»Ich möchte gerne meine Kolumnen in einem Band veröffentlichen. Sehen Sie mal.«
Dann legte ich ihm die Mappe mit meinen ausgedruckten Leser-Mails auf den Tisch. »Was halten Sie davon?«
Das Gespräch verlief durchaus positiv, und der Rest des Arbeitstages verflog, sodass ich nachmittags gut gelaunt beim Kindergarten Matschepampe ankam. Der Himmel hatte sich zugezogen, von der schönen Sonne über Hamburg war nichts mehr zu sehen. Es wehte wieder kräftig, so wie gestern. Vielleicht stimmte es doch mit dem Orkan zum Wochenende.
Herr Klawes hatte mir versprochen, sich um einen Verlag zu bemühen. Er hatte offenbar Kontakte zu der Frau eines angesehenen Verlegers. Ehrlich gesagt, meinte er, er hätte die Kolumnen auch veröffentlicht, wenn ich die Lobeshymnen nicht mitgebracht hätte, aber ich fühlte mich durch die Bestätigung meiner Leserinnen noch ein kleines bisschen sicherer, als ich da in seinem schwarzen Besucherledersessel saß wie Alice im Wunderland mit der verrückten Idee, ein Buch herauszubringen.
Damit hatte ich dann auch gleich schon die nächste verrückte Idee: Vielleicht sollte ich nach den Kolumnen mit einem Roman anfangen? Ich wollte ja über meinen Schatten springen und etwas Neues wagen – vielleicht würde ich das einfach mal tun.
»Sophie! Warte mal!«, hörte ich hinter mir eine Stimme rufen.
Oh, das war ja … Wie hieß sie gleich? Katharina, genau. Die Mama von Konrad.
»Ich hab mit den anderen telefoniert«, erzählte sie aufgeregt, als sie mich eingeholt hatte, »und es sieht jetzt gut aus für morgen, dass alle kommen, die wir kennen. Wir wollen Transparente basteln und so viel Kuchen wie möglich backen. Es soll eine richtig schöne Veranstaltung werden. Die Frau Schmidt-Günther und Frau Fischer sollen keinen Grund haben, sich über uns aufzuregen, verstehst du? Die sollen einfach merken, dass wir durchaus in der Lage sind, uns durchzusetzen und dabei pädagogisch einwandfrei zu handeln!«
»Ja, das ist prima«, stimmte ich zu und drängelte mich zusammen mit Katharina durch die anderen Mütter und schreienden Kinder. »Aber wir müssen auch demonstrieren, dass wir unseren Kindern mehr Freiheiten lassen als noch unsere Eltern und dass das kein Fehlverhalten ist! Weißt du, was ich meine?«
Katharina nickte. »Ja, zum Beispiel, dass sie selbst entscheiden dürfen, ob sie eine Stunde am Stück fernsehen wollen oder zweimal eine halbe Stunde.«
»Genau, und ob wir sonntags zum Schwimmen gehen oder zum Indoor-Spielplatz.«
Klar waren das nur Beispiele, aber es ging doch auch um das Grundkonzept unserer Erziehung. Dass wir engen Kontakt zu unseren Kindern herstellten, ohne deswegen »wischiwaschi« zu sein und kein Konzept zu haben. Unser Konzept war nicht, kein Konzept zu haben, sondern vielleicht nur, unser Konzept den gegebenen Situationen variabel anzupassen. Dass ich konsequent inkonsequent war, was Majas Süßigkeiten- und Fernsehkonsum betraf, stand auf einem ganz anderen Transparent und würde ihr langfristig in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit – hoffentlich – nicht schaden.
Wenn mich gelegentlich jemand fragte, welchen Erziehungsstil ich fuhr, antwortete ich nur: »Meinen eigenen.« Jeder Mensch, jede Mutter, jedes Kind ist doch anders. Wie sollen pauschale Tipps für alle gleichermaßen funktionieren? Das konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Seit ich mich davon gelöst hatte, »liberal« oder »nach Triple P« erziehen zu wollen, ging es auch mit Maja etwas einfacher. Es war nicht durchweg leicht, aber immerhin erlegte ich mir selber nicht noch Erziehungsmaßnahmen auf, die mich in eine Schublade pressten, in die ich vielleicht gar nicht gehörte. Ich war weit davon entfernt, mein Kind zu schlagen oder ihm alles durchgehen zu lassen. Außerdem liebte ich es abgöttisch. Und das war doch schon ein guter Ansatz.
Katharina und ich lächelten uns vor der Patschehändchen -Gruppe noch zu, dann widmeten wir uns unseren zauberhaften Kindern, die wir so abgöttisch liebten. Ich hörte Katharina nur kreischen: »Wie siehst duu denn aus?«, bevor ich einen Blick auf Maja warf.
»Nein!«,
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