Haertetest
Wittler hätte ihre helle Freude an unserem Keller. Die Bilder würden mit Horrormusik unterlegt, und wir wären eine Mischung aus Messie- und Horrorhaus. Sägen, Nägel, Zangen und Schraubenzieher ragten überall aus Kisten und Eimern.
Und dieses Chaos sollte nun bald der Vergangenheit angehören. Vielleicht könnte Jonas sich hier sogar ein eigenes kleines Büro einrichten. (Bei dem Vorschlag hatte er aber nur an seine Stirn getippt und mich mit großen Augen angeschaut.) Wie auch immer, Frau Hörrförr würde hier schon Sauberkeit reinbringen. Im selben Augenblick, in dem ich das Licht anschaltete, schnappte sie nach Luft und fasste sich ans Herz.
Keine zwei Minuten später winkte ich ihr an der Haustür hinterher: »Wiedersehen!«
Wir würden wohl so schnell doch keine Haushaltshilfe bekommen …
Ich ließ Lilly weiterschlafen und machte mich schnell für die Arbeit fertig.
Für neun Uhr dreißig hatte ich meine Kolleginnen zu einer Sitzung bestellt. Statt im Konferenzraum wollte ich das Treffen aber lieber lockerer in der Redaktion abhalten. Der K-Raum war immer so unpersönlich und schürte schon Ängste, bevor man überhaupt wusste, worum es ging, fand ich. Das wollte ich den Kolleginnen ersparen.
Als alle anwesend waren, auch die Damen aus dem Marketing, stand ich auf. »Ihr Lieben, erst mal vielen Dank, dass ihr alle gekommen seid. Es ist mir eine Ehre, Amelie Winter zu vertreten, solange sie mich braucht. Aber im Moment ist es mir natürlich keine Freude. Ich denke, ich spreche ja auch für euch, wenn ich sage, dass wir alle hoffen, dass sie wieder gesund wird und dass das Baby durchkommt.«
Zustimmendes Gemurmel ertönte.
»Und ich würde ihr gerne ein besonderes Geschenk machen, wenn sie wieder da ist. Da ich jetzt noch nicht weiß, wie es ihr geht, müssen wir das dann spontan planen, wenn wir mehr wissen. Wer möchte das gerne mit mir zusammen übernehmen?«
Eva meldete sich sofort. Ausgerechnet die! Entweder sie wollte sich einschleimen, oder sie mochte Amelie wirklich gern. Na ja, vielleicht wusste sie ja, was Amelie gefiel oder womit man ihr eine Freude machen konnte, wenn sie wieder da war. Vorausgesetzt, das Baby war dann auch noch da. Ansonsten mussten wir uns wohl etwas anderes einfallen lassen.
»Schön, Eva, wir können das dann entscheiden, wenn wir Genaueres wissen. Oder wenn ihr persönlichen Kontakt habt, kannst du mir vielleicht sagen, was ich wissen muss, was die Arbeit angeht?« Eva nickte mir zu.
»Okay, jetzt noch mal zu etwas anderem. Ich hatte euch gebeten, mir bis heute eure Themen für Januar vorzustellen. Die meisten haben mir ihr Thema schon gemailt, die übrigen tun das dann bitte heute noch?« Ich lächelte in die Runde. Verlegenes Füßescharren zum Beispiel von Bianca, die noch nichts vorbereitet hatte.
»Ich habe auch selber eine Idee, die ich gerne in den Mittelpunkt des Januar-Heftes stellen möchte.« Solange ich Amelie vertrat, würde ich ihre Arbeit machen, und zwar so gut, wie ich konnte.
»Das Leitthema von Mütter im neuen Jahr heißt: Wir sind Mütter! Das Magazin stellt sich vor. Jede von uns. Mit ihren Stärken und Schwächen. Egal, ob wir in Wirklichkeit Mütter sind oder nicht. Aber die meisten von uns sind Mütter, also werden sich die Leserinnen mit uns identifizieren können, und diejenigen von uns, die noch keine Kinder haben, können die Leserinnen auch erreichen, weil sie ja schließlich auch mal kinderlos waren. Versteht ihr, was ich meine?«
Verwirrtes Gemurmel. Kopfschütteln. Fragende Blicke.
»Also, wir machen Fotostrecken von unserem Privatleben, und jede erzählt, wie ihr Alltag aussieht. Am liebsten natürlich alles, was die Kinder betrifft. Wir berichten schonungslos über das Geschrei beim Frühstück, darüber, wie die Kakaobecher gegen die Wand fliegen, wie mutwillig Apfelschorle über den Teppich gegossen wird, das gellende Schreien beim Haarebürsten, über das Zappeln beim Anziehen, das Weglaufen, wenn sie zum Auto gehen sollen, und all das Zerren an den Hosenbeinen und an den Nerven. Wir berichten, wie wir uns fühlen, wenn die Kinder krank sind, wenn sie traurig sind, wie es uns das Herz bricht, wenn eine Freundin sie nicht zum Geburtstag einlädt. Was wir für unsere Kinder tun. Aber auch, was wir nicht mehr tun können, seit wir Mütter sind. Lasst uns die anderen Mütter da erreichen, wo wir sie treffen können, mitten im Herz, jede von uns mit ihrer eigenen Story!«
Das kam an. Die Mädels waren
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