Haertetest
begeistert. »Sophie, das ist echt eine tolle Idee! Das ist genau der Pep, den wir brauchen, super!«, lobten sie mich.
»Ach was, nicht der Rede wert«, winkte ich ab. »Das ist doch easy, wir schreiben einfach mal so, wie das Leben wirklich ist, ohne diese ewigen Beschönigungen.«
Aber ich freute mich. Vor allem auf den Artikel. Wenn er so wurde, wie ich es mir vorstellte, würde sich jede Mutter in mindestens einer von uns wiedererkennen. Und das wäre die persönliche Verbundenheit, die wir brauchten, um mehr Menschen zu erreichen.
Summend machte ich mich nach der Besprechung wieder an die Arbeit. »Ich möchte ein Eisbär sein« … Oje, dieses Lied ging mir nicht mehr aus dem Kopf! Aber meine Kopfschmerzen waren verschwunden, und bis auf ein flaues Gefühl im Bauch ging es mir eigentlich ganz gut.
Ich saß an meinem Platz und sah auf die Straße. Der Himmel war blau, die Sonne schien. Vom angekündigten Monsterzyklon keine Spur mehr. Hatten sich alle Wetterexperten dermaßen geirrt? Wie peinlich! Aber dieses extrem wechselhafte Wetter sollte einem schon zu denken geben. Ich ließ meine Gedanken einen kurzen Moment im Leerlauf, versuchte mich zu entspannen und den Rest des Tages zu ordnen.
Und auf einmal war er wieder da, der Gedanke, den ich heute Morgen beim Einschlafen nicht mehr erwischt hatte! Jessica! Ja, das würde ich machen. Das musste ich tun, bevor ich Jonas verzeihen konnte. Ich war es mir einfach schuldig, auch noch mit Jessica zu sprechen. Ich musste mit ihr Tacheles reden.
Natürlich würde ich sie wissen lassen, dass ich über alles informiert war. Sie sollte bloß nicht denken, dass ich als betrogene Ehefrau dumm dastand und mir das alles gefallen ließ. Ich würde sie erst mal vorsichtig darauf ansprechen, wie sie die ganze Sache sah, und ihr dann raten, sich eine andere Praktikumsstelle zu suchen. Oder ich würde sie ein bisschen auf die Schippe nehmen, damit sie sich auch mal dämlich und hilflos fühlte. Und nicht immer nur ich.
Ich würde ihr in Jonas’ Namen eine E-Mail schreiben und mich mit ihr verabreden. Wenn ich als Sophie schrieb oder sie anrief, würde sie vermutlich nicht kommen, immerhin musste sie ja wissen, dass ich einen Grund hatte, mich mit ihr zu treffen, und dass ich nicht einfach mal so mit ihr Kaffee trinken gehen wollte. Dass ich nicht gerade gut auf sie zu sprechen war, konnte sie sich nach der Knutscherei mit meinem Mann auch denken.
Da loderte auch wieder der kleine Feuerball in meinem Bauch! Na warte, du Miststück, wenn ich dich kriege! Aber jetzt konnte ich ihr nicht schreiben. In Jonas’ Mailsystem kam ich nur zu Hause, das würde ich heute Abend in Ruhe erledigen. Das war noch früh genug. Erst mal musste ich mich jetzt um meinen Job kümmern. Und meine Karriere als Autorin wollte ich auch noch anschieben! Sophie »Ich krieg nie genug vom Leben« Ahorn war wieder da! Chakka!
Mit klopfendem Herzen stand ich in der Vorstandsetage. Ein Stockwerk über der Redaktion hatten die Geschäftsführer ihr eigenes, plüschiges Reich. Man fühlte sich hier wie im Fünf-Sterne-Hotel oder in einer anderen Welt. Der blaue Teppich auf dem Flur war dick und flauschig, das Licht indirekt und angenehm. Diese Etage war eindeutig für mehr Geld renoviert worden als unsere schäbige Redaktion mit ihrer dünnen, braunen Auslegware. Aber ich wollte ja hier nicht die Einrichterin spielen, sondern Herrn Klawes einen Vorschlag unterbreiten.
Ich klopfte, und die Stimme einer Frau rief: »Ja, bitte!«
Frau Mehrfelder, die Sekretärin, saß vor Herrn Klawes’ Büro, sie war sozusagen der Höllenhund, der den Hades bewacht. Ich schob mich durch die halb offene Tür. In der Hand hielt ich einen rosa Schnellhefter.
»Hallo, ich wollte mal fragen, ob Herr Klawes zehn Minuten Zeit für mich hätte. Ich würde gerne etwas mit ihm besprechen.«
Sie nickte, hob den Telefonhörer und tippte eine Nummer.
Direkt hinter ihr, im angrenzenden Chefbüro, dessen Tür ebenfalls halb offen stand, klingelte das Telefon.
Herr Klawes ignorierte das Klingeln und rief direkt an sie gewandt: »Frau Mehrfelder, ja, es ist in Ordnung, bitte schicken Sie Frau Ahorn einfach herein.«
Frau Mehrfelder legte den Telefonhörer wieder auf und sah mich an. »Sie dürfen jetzt hinein.«
Ja, das hatte ich ja deutlich gehört. Ich versuchte, mich nicht zu wundern. Aber vielleicht lebten sie hier oben auch alle nicht in der wirklichen Welt. Wer weiß, vielleicht brauchte sie solche
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