Haertetest
eigentlich geraucht? Eine ganze Schachtel? Wie furchtbar. Das würde sich jetzt eine Woche rächen. Und wie lange hatte ich geschlafen? Doch bestimmt nur zweieinhalb Stunden!
Frau Hörrförr hatte mahagonigefärbte Haare, trug viele Falten im Gesicht und eine braune Lederjacke mit fast genauso vielen Falten und war schätzungsweise etwas über fünfzig Jahre alt. Vielleicht auch dreißig, aber sie war der Typ aus »We are Family«, der am braunen Fliesen-Couchtisch auf dem durchgewetzten Sofa sitzt und eine Zigarette nach der anderen raucht. Da sieht man dann schnell mal verhutzelt aus. Andererseits sah ich heute sicher auch nicht besser aus, wollen wir mal ehrlich sein.
Natürlich hatte ich es nicht mehr geschafft, irgendetwas aufzuräumen. Ich war schon froh, dass ich wenigstens eine Viertelstunde vor ihrem Klingeln aufgewacht war und dass ich noch wusste, dass sie heute kam! Schnell hatte ich mir eine Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht geworfen, Kaffee gekocht und mich angezogen, als es auch schon läutete.
Mit dem Fuß schob ich ein paar Schuhe zur Seite, sodass sie problemlos den Flur betreten konnte. Ein paar von Lillys Taschen standen noch hier unten.
Sie sah sich um, und ihr Lächeln gefror.
»Ja, sehen Sie sich schon mal ein bisschen um«, riet ich ihr. Da würde sie gleich den richtigen Eindruck bekommen, dachte ich. Ob sie das Chaos nun heute oder erst nächste Woche zum ersten Mal sah, war ja irgendwie egal. Wenigstens war ich ehrlich und tat nicht so, als wäre ich eine Superhausfrau. Sonst hätte ich ja auch keine Putzfrau gesucht, oder?
»Kaffee?«, lächelte ich sie an und stellte ihr eine Tasse auf den Küchentisch. Zwischen den Amarettogläsern von gestern und Jonas’ Heringsbrotkrümeltellern ließ sich immer noch ein kleines Plätzchen für eine Kaffeetasse finden.
Ich begann den Hausrundgang im Wohnzimmer. Küche und Flur hatte sie ja nun schon gesehen.
Das Wohnzimmer war unser schönstes Zimmer. Es war hell und freundlich, eierschalenfarbene Teppiche und Vorhänge passten zum warmen Nussparkett, und die dunkelrote Wand hinter der cremefarbenen Couch bot einen schönen Kontrast. Neben der Sitzecke befand sich unser Kamin, der in weißem Stein eingefasst war. Ich wusste nicht, ob das Marmor war, es war mir aber auch egal. Hauptsache, ich fühlte mich hier wohl. Natürlich lebten wir hier, und das sah man auch.
Frau Hörrförr sah sich langsam um. Als ihr Blick an der Decke über unserem Kamin angelangt war, riss sie die Augen auf.
»Wie lange wohnen Sie hier schon?«, fragte sie.
»Drei Jahre«, antwortete ich brav und trank einen Schluck von meinem Kaffee.
»Und da haben Sie es nicht geschafft, diese schwarzen Rußflecken von der Decke zu wischen?«
»Öhm – Rußflecken?«
Ich sah an die Stelle, auf die sie starrte. Ach ja, jetzt, wo sie es sagte. Da waren tatsächlich unschöne grauschwarze Flecken über dem Kamin. Na ja, das war ja dann nicht meine Aufgabe. Wenn es sie störte, konnte sie sie ja wegwischen.
Hoffentlich waren wir bald durch, ich war so müde, und mir war immer noch schlecht.
Sie ließ weiter ihren Blick durch unser Wohnzimmer schweifen. Ich sah auf einmal alles mit ihren Augen. Und schämte mich. Klar war ich keine besonders gute Hausfrau. Aber die Augenbrauen hochzuziehen und leise »ts, ts, ts« zu machen, schickte sich nun auch nicht gerade.
»Äh, vielleicht erzählen Sie mir einmal etwas über sich, Frau … äh …«
»… Hörrförr«, ergänzte sie.
Ich wagte gar nicht zu fragen, wie man das buchstabierte. Es klang nach durchgestrichenen Os oder mehreren ös.
Jetzt sah sie mich endlich an.
»Sie können auch Gertrud zu mir sagen.«
»Sehr gerne.« Ich atmete einmal durch.
»Ich meine, erzählen Sie doch mal, was haben Sie gelernt, wo haben Sie bisher gearbeitet, so was in der Art.«
Ich machte das hier ja auch zum ersten Mal. Aber so in etwa stellte ich mir das vor, wie man ein Bewerbungsgespräch mit einer Haushaltshilfe führte.
»Ja, also«, begann Gertrud, »ich habe drei Kinder großgezogen, und mein Haushalt ist mein Ein und Alles. Bei uns kann man vom Boden essen!«
Bei uns nicht, dachte ich, aber dafür haben wir ja auch Tische.
»Ich bin wirklich sehr zuverlässig und würde dann wie besprochen zweimal die Woche kommen.«
Ich nickte. Sie sah mich fragend an. Mehr musste ich ja im Prinzip auch nicht wissen.
»Na, dann wollen wir uns mal das Haus ansehen, ich zeige Ihnen, was gemacht werden müsste«, sagte
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