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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
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Badhaus, wo er das »stärkende und reinigende Mineralwasser« ausprobiert, wandern zum Knochenberg, von wo aus sie bis hin zum Brocken sehen können, spielen mit den begeisterten Kindern König und Königin auf der Feste. Da Heinse sich abends früh zurückzieht und Marie sich jungen preußischen Offizieren angeschlossen hat, finden sie viel Zeit für sich, halten sich aber daran, nicht weiterzugehen als, wie Susette es ausdrückt, bis an den Rand des Glücks. Die Kinder, wenn auch ahnungslos, erscheinen ihnen wie Mitverschworene.
    In dieser Umgebung lasse ich ihn einen Brief bekommen, den er nicht bekam, und ein Gedicht lesen, das er wahrscheinlich nie kennenlernte. Es hätte eine jener Botschaften sein können, die ihn so regelmäßig wie rätselhaft erreichen. Gleich zu Beginn hatte er in Frankfurt Johann Noël Gogel, einen Geschäftsfreund Gontards, kennengelernt. Gogel, der überdies mit Gontard verwandt war, besaß die größte Weinhandlung der Stadt und bewohnte mit seiner Familie das prächtige Haus Zur Goldenen Kette am Roßmarkt, »einem der schönsten Plätze« Frankfurts. Hölderlin schildert Gogels als »anspruchslose, unbefangene, vernünftige Menschen«, die sich »mit den Frankfurter Gesellschaftsmenschen und ihrer Steifigkeit und Geist- und Herzensarmut nicht … befassen und verunreinigen und ihre häusliche Freude verderben mögen.« (So früh drückte sich seine Verachtung für diese Gesellschaft, zu der Susette gehörte, schon aus.) Gogel suchte für seine Kinder einen Lehrer, einen Hofmeister, und Hölderlin schlug Hegel vor, der noch in der Schweiz diente. Gogel bat ihn, Hegel auszurichten, er möge sich bewerben. Aber Hegel ließ nichts von sich hören, und wenig später mußten sie Frankfurt verlassen. Das Gedicht, das ich meine, »Eleusis«, schrieb Hegel im August, also zu der Zeit, als Hölderlin sich in Driburg aufhielt. Es ist nur als Entwurf erhalten, und wohl auch Entwurf geblieben. Hegel hat es an Hölderlin, den Freund, gerichtet, und es ist nicht nur eine Huldigung, sondern eine Vergangenheit und Zukunft zusammenfassende Verständigung über das, was sie vereinte: die Liebe zu den Griechen und die Verbundenheit mit dem aufgewühlten Zeitgeist. Das Gedicht enthält auch die Mitteilung, daß Hegel nach Frankfurt kommen, daß sie sich wiedersehen würden. Was gewesen war, was Hölderlin fast schon als verloren glaubt, die Zeit jugendlicher Freundschaft, wird ihm hier erneut versprochen: »… dein Bild, Geliebter, tritt vor mich, / und der entfloh’nen Tage Lust; doch bald weicht sie / des Wiedersehens süssern Hofnungen – / Schon mahlt sich mir der langersehnten, feurigen / Umarmung Scene, dan der Fragen des geheimern / des wechselseitigen Ausspähens Scene, / was hier an Haltung, Ausdruk, Sinnesart am Freund / sich seit der Zeit geändert, – der Gewisheit Wonne, / des alten Bundes Treue, fester, reifer noch zu finden, / des Bundes, den kein Eid besigelte / der freyen Wahrheit nur zu leben, Frieden mit der Sazung / die Meinung und Empfindung regelt, nie nie einzugehn.« Das ist der vertraute, geliebte Ton.
    Neuffer, Schelling, Stäudlin kehren mit ihm zurück. Dasfängt ihn auf. So hatten sie ihre Zukunft entworfen. Und die Glut hat niemand austreten können.
    Hegel wird kommen, sagt er zu Susette. Du weißt, mein Tübinger Freund. Er will bei Gogel Hofmeister werden. Wir müssen Menschen um uns haben, die nicht freundlich sind, um zu gefallen, sondern um des Menschen willen. Er ist nun ganz sicher.
    Am 8. September hören sie von dem Sieg des Erzherzogs Karl, und daß die republikanischen Truppen Frankfurt geräumt hätten. Sie können nach Hause. Heinse, der vorhatte, länger zu bleiben, schließt sich ihnen an. Susette gelingt es, den Abschied von einer halben, doch selbstvergessen genossenen Freiheit aufzuschieben. Jakob Gontard war nämlich aus Frankfurt geflohen, aus Angst vor einer Rückkehr der Franzosen, und hatte seine Flucht mit Geschäften in Nürnberg verbunden. Susette meinte, schon deshalb noch einige Zeit in Kassel verbringen zu können. Sie sind viel beieinander. Marie nimmt Rücksicht darauf, lenkt die Kinder ab. Von Ebel erfährt er, daß dieser nach Paris gehen wolle, die Republik zu studieren, und, wenn es ihm möglich sei, teilzunehmen. Zufällig stößt er in einer Zeitung auf eine Notiz über Stäudlins Selbstmord. Susette wünscht, daß er, dem Andenken des Freundes zuliebe, von ihm erzähle. Er kann es nicht. Die Trauer staut sich in ihm, macht ihn

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