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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
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»Komm und besänftige mir, die du einst Elemente versöhntest, / Wonne der himmlischen Muse, das Chaos der Zeit, / Ordne den tobenden Kampf mit Friedenstönen des Himmels, / Bis in der sterblichen Brust sich das Entzweite vereint, / Bis der Menschen alte Natur, die ruhige, große, / Aus der gärenden Zeit mächtig und heiter sich hebt.«
    Laß sie nicht warten, Susette.

    Das neue Jahr beginnt er bei Doktor Sömmering, der ihm zugesichert hat, das »Nervenkopfweh« zu lindern, wenn nicht gar zu heilen. Allerdings muß ihm der Arzt nach einigen Konsultationen und nachdem die verschriebenen Mittel wirkungslos blieben, gestehen, daß höchstens ein radikaler Wechsel Abhilfe schaffen könne. Wenn er gesund werden wolle, müsse er Frankfurt verlassen, andere Menschen um sich haben. Hölderlin vermutete hinter dem Rat Gontards Einfluß, den Sömmering bestritt. Er gäbe zwar zu, in diesem Falle Gontards Partei zu sein, und er wünsche sich nichts sehnlicher, als daß diese Affäre aus der Welt wäre, doch dies sei eine ärztliche Einsicht. Kränkungen machten krank.
    Er könne nicht fortgehen. Es werde sich von selber entscheiden.
    Sömmering rügte diesen Fatalismus. Wie oft haben Sie, bester Freund, gerade über den Mut der Abkehr nachgedacht. Denken Sie an Ihren Hyperion.
    Doch über die Unansprechbarkeit des Schicksals auch, Herr Doktor.
    Inmitten einer Kampagne von Unfreundlichkeiten, an der nahezu das ganze Haus, von Kobus Gontard über dessen Verwandte im Parterre bis zu den Haushälterinnen und Dienern, beteiligt ist, die selbst die Kinder verwirrt und unsicher macht, gelingt es Susette, einen Ausweg zu finden. Sie überredet Kobus, Henry mit seinem Lehrer in die Schweiz, nach Genf zu Verwandten zu schicken. Dort könnte Henry sein holpriges Französisch aufbessern. Gontard stimmt dem Plan zu. So hatte er den Störenfried aus dem Haus und Susette bei sich. Diese Aussicht belebt Hölderlin. Er wird wenigstens für einige Tage zu Hause sein können, in Nürtingen, Blaubeuren. Er schreibt der Mutter, Heinrike, schmiedet mit Henry Pläne.
    Du bist ganz anders, Hölder. Wieder so wie zu Beginn.
    Ist das schon so lange her?
    Ganz ewig lange.
    Henry meint es ernst. Auch wenn er seinen Lehrer bittet, ein solcher Hölder zu bleiben.
    Aber die Zeit läßt die Flucht nicht zu: Französische Truppen marschieren in die Schweiz ein. Man verhandelt, es besteht Aussicht auf eine helvetische Republik.
    Wir können nicht reisen. Nun ist auch in der Schweiz Krieg, Henry.

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    VI
    Die elfte Geschichte
    Der kleine Schreibtisch, in den er sich gleich am Anfang seiner Frankfurter Zeit verguckt, den er ans Fenster gerückt hatte, um bei gutem Licht arbeiten zu können, an dem er jeden Morgen mit Henry saß, die Bücher ausgebreitet, an dem er abends schrieb, dessen Intarsien er auswendig wußte, über dessen Politur er oft mit der Hand rieb, bis Holz und Hand heiß wurden; vor dem sitzend, er auf den Garten hinuntersehen konnte, auf den er oft müde den Kopf gelegt hatte und in dessen Fächern er seine Manuskripte aufbewahrte – der kleine Schreibtisch sollte ihm genommen und durch ein einfaches, ungeschlachtes Möbel, das bislang im Keller gestanden hatte, ersetzt werden. Das war eine ausgeklügelte Gemeinheit. Man wußte, daß er an dem Tisch hing, daß er ihm die Stube wohnlich machte, daß er mit ihm lebte.
    Zuerst hatte ein Diener von Gontard-du Bosc, einer von »denen aus dem Parterre«, den Schreibtisch zurückverlangt. Monsieur Gontard benötige ihn für den kleinen Salon.
    Er hatte ihn abgewiesen. Das Möbel sei ihm von Herrn Jakob Gontard zur Verfügung gestellt worden, er könne es nicht so ohne weiteres abgeben.
    Der Diener verschwand.
    An seiner Stelle erschien die Haushälterin. Sie klopfte nicht einmal an. Warum er sich so ziere? Schließlich gehöre der Schreibtisch nicht ihm. Er könne an jedem Tisch seine Arbeit besorgen. Das neue Möbel stehe bereits auf dem Flur. Ob er es sich nicht ansehen wolle? Es reiche für ihn aus, für den Lehrerkram, sie sagte, mit erhobener Stimme: Das ist genügend für Sie!
    Er weigerte sich, das Ersatzstück anzusehen.
    Was erlauben Sie sich, Demoiselle Schott. Verlassen Sie meine Kammer, ich bitte Sie. Ich möchte nicht ausfällig werden.
    Die Haushälterin antwortete ihm: Was wollen Sie nicht werden? Ausfällig? Das sind Sie doch jeden Tag. Wäre ich der Herr Gontard, ich hätte Sie längst entlassen.
    Gehen Sie!
    Sie nimmt sich Zeit, um zu verschwinden.
    Offenbar hat Gontard

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