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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
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zu unterdrücken. Es ist klar, daß von nun an nur die Französische Republik das Vaterland des rechtschaffenden Mannes sein kann, nur dieser er seine Kräfte widmen kann, indem von nun an nicht nur die teuersten Hoffnungen der Menschheit, sondern die Existenz derselben an ihren Sieg geknüpft ist.« Hölderlin schreibt die Sätze für Sinclair ab, der sich aber an ihnen nicht freuen kann. Hat Fichte nicht gekuscht? Hat er sich nicht einfach davongestohlen, als wir rebellierten, Hölder? Ich habe den Professor nicht unter meinen Verteidigern entdecken können, als man mich von der Universitätwarf. – Wir schreiben nicht nur für und gegen die Zeit, Isaac, oft schreiben wir mit ihr, und können gar nicht anders. Der eine nennt es dann Verrat, der andere Verstand. – Wenn du so redest, Hölder, kann ich dich nicht lieben. – Du wirst es einmal können, Isaac. Weiter nennt die Liste: Sophie Mereau, Heinse, Schelling, August Wilhelm Schlegel. Alles Freunde und Bekannte, nicht aber die Großen, Schiller oder Goethe. An sie hat er sich gewandt, selbst an Goethe, und die Bitte fiel ihm nicht leicht: »Ich weiß nicht, Verehrungswürdiger! ob Sie sich meines Namens so weit erinnern, daß es Ihnen nicht auffallend ist, einen Brief und überdies eine Bitte von mir zu lesen.« Die Bitte wird ihm nicht erfüllt, Goethe würdigt sie nicht einmal einer Antwort. Und Schiller, der ihn mit seinem Schweigen verstört, dessen unerklärliche Ablehnung ihn noch immer bedrückt, Schiller winkt ab: »Gern, mein werthester Freund, würde ich Ihr Verlangen wegen der Beiträge zu Ihrer Zeitschrift erfüllen, wenn ich nicht so arm an Zeit und so eng an mein gegenwärtiges Geschäft gebunden wäre.« Sie schlagen ihm, ohne es zu wollen, eine erhoffte, denkbare Zukunft aus, stoßen ihn zurück in die Unsicherheit. Ohne die Mitwirkung der Berühmten wagt Steinkopf die Monatsschrift nicht. Das Unternehmen ist gescheitert.
    Hölderlin ist das Geld ausgegangen. Er muß Johanna um Unterstützung bitten. Sie schickt ihm zweimal hundert Gulden.
    Die Freunde resignieren, ziehen sich vorsichtig zurück, die Gespräche brechen ab. Aus der gemeinsamen Hektik stürzt er in die alte unvertraut gewordene Einsamkeit: »Ich lebe so sehr mit mir allein, daß ich oft jetzt gerne in einer müßigen Stunde mit einem unbefangenen Freunde michüber Gegenstände unterhalten möchte, die mir nahe liegen«, schreibt er, voller Sehnsucht nach unwiederholbar Vergangenem, an Neuffer. Alles, was ihm nun zugetragen wird, was er, nach seiner bittren Meinung, auf sich zieht, bedroht ihn, schnürt ihn ein. Er überlegt, ob er nicht nach Stuttgart zu Landauer oder nach Jena zu Schiller ziehen solle. Es gelingt Sinclair, ihm das auszureden. Von Zuhause erfährt er, daß sein Schwager Breunlin schwer erkrankt sei, Rike in Sorge. Die Kämpfe in Württemberg zwischen den Österreichern und den Franzosen nehmen zu, er ängstigt sich um Johanna. Buonaparte, dieser Genius der allgemeinen Erwartung, dessen strahlenden Weg er verfolgt hatte, macht sich zum Ersten Konsul, gewinnt durch einen Staatsstreich die Macht. Auch dieses Bild verfinstert sich. Er ist eine Art von Diktator, sagt Hölderlin, gleichsam abschließend, zu Sinclair; doch Ebel, dem Paris zur Zumutung geworden ist, der den Gral der Revolution nicht gefunden hat, versucht er zu trösten: »Ihr Urteil über Paris ist mir sehr nahe gegangen. Hätte mir ein anderer, der einen weniger großen Gesichtspunkt, und nicht nur Ihr klares vorurteilsloses Auge hätte, dasselbe gesagt, so hätte es mich weniger beunruhiget. Ich begreife wohl, wie ein mächtiges Schicksal, das gründliche Menschen so herrlich bilden konnte, die schwachen nur mehr zerreißt, ich begreife es umso mehr, je mehr ich sehe, daß auch die größten ihre Größe nicht allein ihrer eigenen Natur, sondern auch der glücklichen Stelle danken, in der sie tätig und lebendig mit der Zeit sich in Beziehung setzen konnten, aber ich begreife nicht, wie manche große reine Formen im Einzelnen und Ganzen so wenig heilen und helfen, und dies ists vorzüglich, was mich oft so stille und demütig vor der allmächtigen, alles beherrschenden Not macht.«
    Die Verhältnisse werden zur Gefangenschaft. Er weiß, er muß ausbrechen. Aber diese neuen Erfahrungen sind auch ein Gewinn. Zweimal besucht ihn Landauer, der ihm in seinem Haus Unterkunft bietet.
    Komm nach Stuttgart, dort bist du den Deinen nah, und du bist mit allen vertrauter.
    Wie kann er fort, wenn Susette ihn

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